Samstag, 8. August 2015

Black Dog Story

Allein
Mit dem schwarzen Hund

Der Hund erwachte also zwischen meinem neunten und elften Lebensjahr, genau festlegen kann und möchte ich mich da nicht. Ganz sicher wach war er jedoch, als ich 11 war. Meine Urgroßmutter väterlicher und mein Großvater mütterlicher Seits waren verstorben. Ob ich damit gut umgegangen bin, ich weiss es nicht mehr. Meine Erinnerungen verschwimmen hier, ich kann kaum sagen, was aus jener Zeit real war und was nicht. Der schwarze Hund hatte meinen Körper übernommen. Und was mich nach außen hin kaputt gemacht hat, war eigentlich meine beste Verteidigung.

Nein, ich will nicht sagen, dass mein schwarzer Hund mein Verteidiger ist. Sicher nicht! Aber er bewahrt mich vor dem Tod. Klingt ebenfalls verkehrt? Nun, so ist mein Hund jedoch. Er quält mich, beißt mich, beutelt mich, aber niemals lässt er mich sterben, so sehr ich mir das von ihm auch wünsche.

Zu diesen für mich wirklich schmerzhaften Verlusten, der Verlust meiner bildlichen Erinnerungen an meinen Großvater brachte mich oft zu Boden und ließ mich unter Tränen zusammenbrechen, kam der allmähliche Knacks im Verhältnis zu meinen Eltern.

Meine Mutter war erkrankt. Fibromyalgie. Eine wirklich wirklich schreckliche Krankheit!
Und für meine Mutter hatte von nun an häufig sie selbst Vorrang. Sicher auch gedacht zu meinem Besten, das vermag ich nicht zu beurteilen. Für meinen Vater war diese Zeit jedenfalls ebenfalls nicht einfach. Seit ich denken kann, hatte er Suchtprobleme gehabt. Von seiner Spielsucht wusste ich nur aus Erzählungen. Seine Alkoholsucht war immer gegenwärtig gewesen für mich. Er war kein unangenehmer Trinker! Aber er war einer.

Jedenfalls beschlossen meine Eltern zu jener Zeit, ich sei alt und intelligent genug, mich selbst um meine banalen schulischen Probleme zu kümmern. Ich sei zu intelligent, mich von einem Mobber fertig machen zu lassen. Und und und...

Den Hund ignorierte jeder. Dass ich immer mehr spürte, wie sich irgendwas von meiner Kraft und Energie ernährte, wurde ignoriert. Und ich begann all meinen Schmerz auf meine Umwelt zu schieben. Vom Hund hatte ich keine Ahnung, also wuchs mein Hass auf meine Umwelt. Und mein Hass auf mich selbst!

Hierzu eine kleine Anekdote:

oOoOoOo

Wie alt ich war, kann ich nicht einordnen. Es war zur Zeit der großen Ungewissheit, als die Krankheit meiner Mutter noch keinen Namen für uns hatte. Ich sah sie oft leiden, obwohl meine Eltern meine Mutter gut vor mir versteckten. Im Schlafzimmer meiner Eltern war es nun oft dunkel. 
Dies war einer jener düst'ren Tage. 
Ich hörte meine Eltern wieder über diese Krankheit reden, von der ich nichts verstand und, ich bin mir da ziemlich sicher, auch nichts verstehen sollte. Meine Mutter weinte häufig, es brach mir jedes Mal mein kleines Kinderherz. Dieses Mal nahm ich allen Mut zusammen und öffnete die eh nur angelehnte Tür zum Schlafzimmer meiner Eltern. Weinend stürzte ich hinein und warf mich auf das Fußende ihres Bettes. Schließlich begann ich schluchzend zu reden. Ich sagte, dass ich allen bloß zur Last falle. Ich sprach davon, dass die Welt ohne mich ein viel viel besserer Ort würde. Ich sprach von meinem Wunsch einfach ganz ganz bald zu sterben!
oOoOoOo

Schlimm war, mir wurde in jener Hinsicht der Mund verboten. Sowas darfst Du nicht sagen! Solche Gedanken hat man nicht! Und wenn man diese Gedanken hat, dann spricht man sie gefälligst nicht aus! Solche Gedanken ignoriert man und lässt sie gar nicht erst reifen!

Nett gemeinte Tipps, bestimmt. Aber nicht gegenüber einem Kind, dass diese Gedanken ernsthaft hat und nicht im Geringsten damit umzugehen weiss und sich tatsächlich schämt, sich nicht einfach umbringen zu können, weil es doch Angst vorm Tod hat.
So schockierend das also klingt und so schockierend es für meine Umwelt war: ich begann die Leute in meiner Umgebung zu provozieren und aufzufordern, mir körperliche Gewalt anzutun. Sie sollten erledigen, was ich mich nicht traute und der schwarze Hund gar nicht wollte. Doch sie taten es nicht oder nur sehr sehr selten und das wiederum provozierte in mir und meinem schwarzen Hund nur noch mehr Wut und Hass auf unsere Umwelt, die uns, aus unserer Sicht, so gnadenlos ignorierte...

Ich bin zwar Leihe, doch wage ich zu behaupten, ich startete mit einer nicht diagnostizierten, nicht behandelten und nicht einmal vermuteten mittleren Depression in die Pubertät.

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