Freitag, 28. August 2015

Black Dog Story

Mein Jahr bisher
2015 im Sauseschritt

2015 startete mit meinem 22ten Geburtstag eigentlich extrem gut, um danach dann erst einmal so beschissen weiter zu gehen, wie 2014 aufgehört hatte. Meine beste Freundin kündigte mir die Freundschaft und so war ich erst einmal recht lange einsam. Doch ich berappelte mich schnell wieder. Ich fand neue Freundschaften, brachte das Leben mit meinem Sohn wieder in komplett geregelte Bahnen, fand einen Weg mit Blondie klar zu kommen und konnte zur Kieler Woche hin mein Leben schon wieder erstaunlich gut genießen. Aus meiner Sicht kleinere Rückschläge wie ein Suizidversuch, Albträume und erneute Streits mit Blondie, konnten mich nur noch sehr kurzfristig aus der Bahn werfen. Anderes nagt noch an mir, doch auch das geht schon irgendwie irgendwann in Ordnung.

Alles in Allem bin ich gerade recht zufrieden. Mein Sohn geht seit Anfang August in den Kindergarten und fühlt sich dort pudelwohl, ist endlich ausgelastet und findet sogar schon richtige Freunde. Ich lebe endlich zu 100% vegetarisch und habe vieles auf vegan umgestellt. Ein Leben als Straight Edger habe ich erneut fest im Blick. Meinen Kindheitstraum, im Tierschutz aktiv zu werden, bin ich inzwischen ebenfalls am verwirklichen und habe darüber viele tolle Menschen kennengelernt. Zudem geht ab nächstem Montag die Schule wieder für mich los und ich werde im Frühjahr endlich meine Prüfungen ablegen können.
Mit dem Thema Liebe und Beziehung habe ich inzwischen abgeschlossen. Für einen Partner oder eine Partnerin ist aktuell kein Platz in meiner verrückten kleinen zwei-Mann-Familie.

Meine Depressionen sind nach wie vor präsent und in den letzten Tagen und Wochen ging es mir nicht wirklich gut. Doch ich werde von Tiefpunkt zu Tiefpunkt stärker und lerne, mich immer besser wieder zu fangen. Außerdem habe ich inzwischen das ganz große Glück, die richtigen Leute, Leute mit Verständnis und Liebe im Herzen, an meiner Seite zu wissen. Dadurch ist alles nicht mehr ganz so erdrückend.

Für die Zukunft wünsche ich mir, noch besser mit dem Leben und all seinen Tücken klar zu kommen, meine neu gewonnenen Freundschaften nicht wieder zu verlieren und genauso oft zu lachen und zu lächeln, wie ich es aktuell dank meinen Freunden tue. Ich wünsche mir für meinen Sohn, dass Blondie und ich uns gut mit einander stellen und eine Freundschaft zu einander aufbauen, die unserem Sohn Halt zu geben vermag. Und vor allem wünsche ich mir, dass meine bisher verfassten Worte und die dem noch folgenden auch nur einem einzigen Menschen in irgendeiner Art und Weise zu helfen vermögen und sei es ein Angehöriger, der im Anschluss besser mit Betroffenen umzugehen weiss.

Donnerstag, 27. August 2015

Wutbürger und Weltverbesserer

Gestern erst war ein guter Freund zu Besuch bei mir. Er hatte Döner mitgebracht, vegan, aus unserer Lieblings-Dönerbude. Und er hatte unerfreuliches zu berichten. Denn die Frau, welche uns immer so unglaublich freundlich und herzlich begegnet und seit ihrem 11ten Lebensjahr in Deutschland lebt, ist Türkin und sie hat Angst! Sie hat Angst vor den besorgten Bürgern. Angst vor der nächsten Generation rechtsradikaler Hohlbirnen, die einst "Türken raus!" an die Wände etlicher Häuser sprühten. Sie hat zurecht Angst! Auch ich habe Angst. Angst vor einer Rückkehr in eine Zeit, vor der wir in der Schule immer so ausdrücklich gewarnt wurden. Angst vor der Rückkehr in eine Zeit, in der Fremdenhass zum guten Ton gehörte. Angst vor einem erneuten Nazi-Deutschland. Und wer denkt, diese Angst sei unbegründet, der schaue hin! Der schaue hin und sage mir, alles sei in Ordnung.

Kannst Du das? Kannst Du hinschauen und sagen "alles ist in Ordnung"? Kannst Du brennende Flüchtlingsheime für gut befinden? Kannst Du der Politik zustimmen, dass die Einwanderung der Flüchtlinge nach Deutschland eingedämmt werden muss? Kannst Du Dir all das heraus nehmen, bloß weil Du selbst das Glück hast, nicht im Krieg zu leben? Glaubst Du, so könntest Du Dir den Krieg und all seine Schrecken vom Leibe halten? Kannst Du all das? Glaubst Du an all das? Glaubst Du wirklich, die Flüchtlinge könnten eine Bedrohung für Dich und Deine Heimat darstellen? Glaubst Du ernsthaft diese Menschen wollen den Krieg zu uns tragen, vor dem sie unter den abscheulichsten Bedingungen fliehen, weil sie Angst um sich und das Leben ihrer Familien haben? Bist Du einfach nur ein besorgter Bürger?

Nein! Wenn Du all das kannst und glaubst, dann bist Du kein besorgter Bürger. Dann bist Du kein Asylkritiker. Dann bist Du kein Patriot. Dann bist du ein völlig verblödeter Kacknazi! Dann bist Du ein Rassist! Dann bist Du das unterste Glied in der Nahrungskette, das hoffentlich irgendwo elendig verkümmern wird! Dann bist Du hoffentlich der Nächste, der vor einem Krieg flüchtet und dessen Unterkunft angezündet wird, von besorgten Bürgern, die Dich lieber nicht in ihrem Land haben wollen!! Und wenn Du glaubst, das wirst Du niemals sein, dann denke an jene Einstellung zurück, wenn Du es doch einmal bist und dann hoffe und bete, dass die Menschen, zu denen Du flüchtest, gnädiger und intelligenter sind als Du es je warst!

Ich erhebe meine Stimme hiermit ganz klar für all die Flüchtlinge und sage von ganzem Herzen REFUGEES WELCOME! Und ich bitte all die wirklich besorgten Bürger, nämlich diese in Sorge um das Wohlergehen der hier ankommenden Flüchtlinge: geht spenden! Kleidung, Spielsachen, Nahrungsmittel - irgendwas wird immer gebraucht und irgendwas haben wir alle über! Erkundigt Euch bei den örtlichen helfenden Organisationen, was aktuell am dringensten gebraucht wird. Packt in Eurer Freizeit selbst mit an. Zeigt den Flüchtlingen, dass nicht alle Deutschen dumm und zurückgeblieben sind!

Ich schäme mich, in einem Land zu leben, in welchem der Rechtsradikalismus einst zum Holocaust führte und welches so bereitwillig genau dorthin zurück steuert! Ich schäme mich für all Euch Rassisten! Ich schäme mich für die Politiker, welche dieses Land regieren! Ich schäme mich für all den fremdenfeindlichen Abschaum! Es tut mir unendlich Leid, dass Kriegsflüchtlinge, die in diesem Land glauben Frieden zu finden, doch nur weiterem Hass begegnen! Und ich wünsche jedem Kacknazi einen Syrienurlaub!! Soll da ja aktuell ganz schön sein...

Mittwoch, 26. August 2015

Black Dog Story

Seelenqualen
der Sommer 2014

Ich zog also im April 2014 mit meinem Sohn endlich offiziell in unser erstes eigenes Reich. Klein, aber schön. Und ich machte es uns richtig gemütlich. Doch ich wurde schnell müde. Sehr schnell. Irgendwie war all meine Energie extrem schnell erschöpft. Der schwarze Hund lies mir keine Luft mehr zum Atmen und spielte so auf eine sehr perfide Art und Weise Blondi in die Hände. Jener wiederholte in den folgenden Monaten, bis Mitte Juni circa, mehrfach und bei fast jeder Gelegenheit eine Sache, die mir bis dahin nur ein Mal wiederfahren war. Einige meiner Freunde wussten schon bescheid. Meinen Eltern musste ich es noch irgendwie beibringen.

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Ironischerweise war es Blondie, der mich ja ursprünglich von allen Drogen weg gebracht hatte, der mich im Juni/Juli 2014 wieder dazu brachte, in Hamburg auf der Reeperbahn einen zu kiffen. Ihm war nämlich im Anschluss an die Kieler Woche und nachdem man seine Aktivitäten an mir unterbunden hatte, die lustige Idee gekommen, mit seinem Vater zum Jugendamt zu rennen und mir von da aus mal gehörig ans Bein pissen zu lassen. Beste Idee allerzeiten, Blondie, echt!! Da kommt mir direkt wieder die Wut hoch.

Es folgten monatelang Treffen in der Erziehungsberatung. Im Endeffekt verlor Blondie mehr, als dass er gewann. Wir hassten uns, vertrugen uns erstaunlicher Weise wieder und hassten uns wenige Tage später nach erneutem Streit über irgendwelchen Schei* wieder. Selbst zu Weihnachten hielt er es für nötig, mich zu provozieren. Zwischenzeitig verlor ich regelrecht den Verstand! Ich war zeitweise kurz davor a) vor einen Bus zu springen oder b) ihm einfach das Kind vor die Tür zu setzen und auszuwandern und mich dann mit Drogen vollzupumpen oder c) auf Anraten aller tatsächlich zurück in die Klapse zu gehen. Zum Glück jedoch begleiteten mich die richtigen Menschen durch jene Zeit und Blondie schoss sich auch recht erfolgreich selbst ins Aus. Spätestens als er zu einem Termin in der Erziehungsberatung 50 Minuten zu spät kam, kaufte ihm niemand mehr den interessierten und bemühten Vater ab. Und ich gewann langsam mein Selbstvertrauen zurück.

Blondie und der schwarze Hund hatten mich zu jener Zeit gemeinsam ziemlich erfolgreich fast zerstört. Doch schließlich gelang mir genau dadurch etwas, was ich zuvor gar nicht für möglich gehalten hatte. Ich lernte, den schwarzen Hund für mich als Kraftquelle zu nutzen. Unser gemeinsames Ziel war, wie bereits an anderer Stelle erwähnt, der Schutz des Kindes. Und zu diesem biss mein schwarzer Hund nun auch kräftig und völlig zurecht nach Blondie. Und er tut es, wenn nötig, immer und immer wieder. In dem Punkt: Braver Hund!

Als 2014 vorbei war, trauerte ich dem Jahr kein bisschen nach. Zu dem Zeitpunkt war ich längst blind geworden für das Gute in jenem Jahr und es dauerte noch eine ganze Weile, bis ich meine Augen dafür wieder öffnen konnte..

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Nüchtern zurück blickend muss ich mir selbst eingestehen: 2014 war nicht nur schlecht! 2014 in Kiel war kacke, doch in Hamburg erlebte ich einige der schönsten Stunden, Treffen, Begegnungen und Momente der letzten Jahre! Wenn ich im vergangenen Jahr an irgendeinem Ort glücklich war, dann war es in Hamburg. Und das habe ich einigen ganz besonders tollen Menschen zu verdanken, die ich extrem vermisse. Häufig wünsche ich mich in den letzten Sommer zurück.

Da war zB das japanische Kirschblütenfest.
An jenem Tag lernte ich den besten Freund, den ich mir im letzten Jahr hatte wünschen können, kennen. Das passte einfach wie Arsch auf Eimer und ich vermisse diesen Menschen und unsere Telefonate und das gemeinsame the Big Bang Theory schauen via Telefon total. Zumal er der einzige Mensch ist, der meine Liebe zu Willkommen in Gravity Falls teilt. Er hat mich durch meine schlimmsten Zeiten begleitet und ich werde diesem Mann dafür immer unendlich dankbar sein!!
Am selben Tag hatte ich eigentlich einen Freund an der Alster suchen sollen. Doch schlussendlich saß ich stundenlang mit einem ganz anderen Begleiter vor der Kunsthalle und schaute das Feuerwerk an jenem Abend mit genau dem richtigen Menschen, welchen ich über den Sommer durch Zufall immer wieder traf und mit dem ich jeden Moment zu genießen lernte; völlig egal, was die anderen darüber dachten! In meinen Augen wird er immer ein gutherziger Mensch sein, für den ich immer da sein werde, wenn er es von mir wünscht.

In Hamburg fühlte ich mich 2014 pudelwohl. Doch ab September war Schluss und ich schaffte es nicht mehr in die Hansestadt und zu den Menschen, welche ich noch immer täglich in meinem Herzen trage. Ich fühle mich deshalb nicht selten wie die schlechteste Freundin der Welt. Auch wenn ich mir immer einzureden versuche, das seie nur Geflüster des schwarzen Hundes.

Ende des Jahres startete ich in der Heimatstadt sogar den Versuch, mir wieder eine Beziehung aufzubauen. Leider ging es schief und ich brauchte extrem lange, darüber hinweg zu kommen. Seither habe ich eine extreme Blockade in mir.

Dienstag, 25. August 2015

Black Dog Story

Eine Familie zieht zusammen
Wie man eine eh schon gescheiterte Beziehung zum Henker führt

Im November 2013 bezogen Blondie, unser Sohn und ich also unsere gemeinsame Wohnung. Eine ziemliche Bruchbude, die auch eine Renovierung im Rahmen meiner finanziellen Möglichkeiten nicht hatte retten können. Warum im Rahmen meiner finanziellen Möglichkeiten und nicht unserer?! Von gut 1500€ Umzugskosten, Renovierung eingerechnet, trug Blondie 60€ Wandfarbe bei. Für den Rest wurde fröhlich mein Erspartes verbraten, welchem ich heute noch nachtrauere. Da war er nämlich dahin, mein Traum vom Führerschein.

Wir waren also zusammen gezogen und mussten schnell feststellen: das machte nichs besser.
Es war wie ein Fluch. Der Streit schien gar kein Ende mehr zu nehmen und auch vor unserem Baby gaben wir uns nichts. Zudem funkte auch Blondies Vater noch ein weiteres Mal dazwischen, indem er versuchte meine Familie gegen mich und seinen Sohn gegen meine Familie aufzuhetzen. Ich flippte endgültig aus. Blondie verzweifelte endgültig. Das Ende unserer Beziehung folgte also bereits im Dezember. Obwohl wir seit Mitte November eine Erziehungsberatung besucht hatten, in dem Versuch, alles irgendwie zu retten. Doch ich tat das eigentlich schlimmste: ich las in Blondies Handy. Und was ich fand, zerstörte meine Welt endgültig. Blondie und sein Vater planten per SMS bereits seinen Auszug aus meinen Fängen in eine eigene Wohnung und der Vater hatte sogar schon konkrete Objekte vorgeschlagen. Außerdem stand dort, er würde Blondie jederzeit unterstützen, das Kind zu sich zu holen. Ich war fassungslos und stellte den Mann, von dem ich noch immer glaubte, ihn zu lieben, zur Rede. Wir stritten heftiger denn je. Blondie wollte die Trennung. Ich brach zusammen.

Nun hatte ich endgültig alles verloren. Ich hatte fast keine Freunde mehr, mein Geld war weg, die Wohnung würde bald weg sein, meine eigene kleine Familie war kaputt und es hassten mich mehr Menschen als ich es überhaupt begreifen konnte. 

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Wer nun aber glaubt, Blondie zog im Dezember aus: weit gefehlt! Bis zum Februar sollte das noch dauern. Dann zog er zu seinem Stiefbruder. Bis dahin jedoch führten wir die unangenehmste WG meines Lebens. Mal hasste er mich, dann stritt er wieder über das Sorgerecht mit mir und am Abend wollte er plötzlich wieder bei und vor allem mit mir schlafen. Es war alles völlig neben der Spur. Jeder Tag wurde irgendwie unerträglich und ich mühte mich, mit der letzten mir noch verbliebenen Energie, ein neues Zuhause für meinen Sohn und mich zu finden. Das gelang mir schließlich kurz vor knapp Mitte März 2014.

Im Januar hatte ich mich wieder mit dem Mann vor Blondie zusammen gerauft. Irgendwie waren meine Gefühle für ihn, sobald ich ihn wiedersah, sofort wieder entflammt. Und er stand mir bei. Wir trafen uns heimlich. Hinter Blondies Rücken. Kindisch, aber anders zu jenem Zeitpunkt leider gar nicht möglich. Ohne jene Treffen hätte ich alles wahrscheinlich gar nicht durchgestanden. Auch als Blondie auszog, war er bei mir gewesen. Wir hatten uns gemeinsam im Badezimmer eingeschlossen. Nur so ertrug ich all das.

Blondie hasste es! Dabei war es eine Beziehung frei von Körperlichkeiten. Und das war genau richtig so zu jenem Zeitpunkt. Und er liebte meinen Sohn nicht ohne Grund wie unser eigenes Kind.

Körperlichkeit bekam ich nach seinem Auszug weiterhin, und eher aus einem gefühlten Zwang denn aus Lust heraus, von Blondie. Sein strafendes Schweigen war mir unerträglich und ich hätte fast alles getan, um es irgendwie zu brechen. Es schnürte mir die Luft zum Atmen ab. Und so wurden wir wieder sexuell aktiv. Es war verrückt! Ich versuchte immer noch zu retten, was eigentlich überhaupt nicht mehr zu retten war. Mein Herz hing noch viel zu sehr an dieser kleinen Familie, die niemals eine richtige Familie gewesen ist.

Dennoch zogen schließlich auch mein Sohn und ich aus und ich hoffte, dieses Kapitel meines Lebens endlich schließen zu können. Ich wollte abschließen mit diesem misslungenen Versuch, meine eigene Familie zu gründen.

Mein schwarzer Hund hingegen fand all diese verrückten und kranken Konstellationen total toll und aufbauend. Das Ende begrüßte er nicht. Und er sollte dafür sorgen, dass alles noch schwieriger weiter ging.

Montag, 24. August 2015

Black Dog Story

Eine neue Hoffnung

Einen Tag nach dem Geburtstag meines Großvaters war es also so weit, die Wehen hatten eingesetzt. An jenem Tag glaubten wir, nun würde alles gut werden. Unsere neue Hoffnung kam zu Welt und wir waren beide so unfassbar stolz.

Doch was ich bis heute nie wirklich zugab, ich war schon am nächsten Morgen nicht mehr in der Lage von diesem Glück zu zehren. Der schwarze Hund hatte sich über die Monate der Schwangerschaft hinweg wieder in mein Leben eingeschlichen. Und er blieb. Er blieb bis heute. Er war wieder allzeit präsent, so wie er es in all den Jahren vor Blondie bereits gewesen ist. Und so blieb ich müde und des Lebens überdrüssig. Doch meine eigene Stimme war, im Gegensatz zu den Jahren zuvor, für mich hörbar geblieben. Ich hörte, wie sie mir immer wieder gut zuflüsterte: "Du liebst dieses Kind. Es ist dein Sonnenschein. Es ist dein Licht. Es ist der Gegenpol, auf den wir so lange gewartet haben." Doch der schwarze Hund erdrückte diese Stimme schnell und effektiv wieder. Bis er und ich letzten Sommer lernen mussten, wir beide brauchen dieses Kind. Mein schwarzer Hund, weil es mein einziger Grund ist, nicht über die Klinge zu springen. Ich, weil es mein einziger Grund ist, nicht über die Klinge zu springen. Wir stellten also fest, dass wir uns auch gemeinsame Ziele setzen und Übereinkünfte mit einander schließen können.

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Doch auch Blondie musste feststellen, die neue Hoffnung brachte neue Probleme mit sich.

Er hatte mich verzweifelt angefleht, seinen Vater das Kind kennenlernen zu lassen.
Doch ich beschloss, mich als ersten Schritt erst ein Mal ohne Kind mit diesem Menschen treffen zu wollen, von dem ich inzwischen, auch auf Grund der Erzählungen über ihn von Blondies Mutter und Schwester, eigentlich überhaupt nichts mehr hielt. Und er enttäuschte mich so gesehen nicht. Ich hatte die Aussprache gesucht und den Mann offen mit den Geschichten über ihn konfrontiert. Von einem erwachsenen Mann in seinen 40ern erwartete ich ganz klar, dass er damit umgehen könne. Das tat er zunächst augenscheinlich auch.
Die Retour bekam ich erst einige Tage später, als Blondies Mutter mich mittags wutentbrannt anrief und fragte, ob das mit der Anzeige wegen Verleumdung und Rufschädigung mein Ernst seie. Ich wusste von nichts. Doch wie ich dann erfuhr, hatte Blondies Vater wohl Anzeige gegen sie erstattet und beim Anwalt auch noch meinen Namen als Zeugin aufgeführt. Verständlicherweise wollte Blondies Mutter mich daraufhin gar nicht mehr anhören. Und nur wenige Minuten später sorgte ihr Lebensgefährte dafür, dass auch von meiner Seite seither funkstille herrscht und Blondies Verwandtschaft mütterlicherseits meinen Sohn nicht mehr zu sehen bekommt.
Der Lebensgefährte, mit welchem ich mich eigentlich immer recht gut verstanden hatte, bezeichnete mich nun öffentlich in Facebook als verlogene Schlampe. Eine Entschuldigung folgte nie. Das war zu viel für mich!

Als Blondie von der Arbeit kam, erzählte ich ihm schließlich von dem Vorfall und der Anzeige und herrschte ihn an, das alles mit seiner völlig verrückten Familie zu klären. Im Endeffekt wurde der Post gelöscht, Blondie flog zuhause raus, weil er zu mir hielt, sein Vater nahm wenigstens die Anzeige zurück, seine Mutter sah von einer Anzeige mit gegenüber ab. Eine Entschuldigung hörte ich bis heute jedoch von keinem der Beteiligten, außer tatsächlich so halbwegs von Blondies Vater.

Dieser durfte schließlich unseren Sohn kennenlernen und vermasselte dieses Treffen gehörig.
Sein, von ihm ganz ehrlich nicht zu kontrollierender, Dobermann versuchte mein Kind zu beißen, Blondie reagierte gerade rechtzeitig, um schlimmeres zu verhindern, ich bekam eine Panikattacke und verschwand mit meinem Kind. Ab da war vorbei! Ich verbot jeglichen Kontakt zwischen den Großeltern väterlicherseits und halte dieses Verbot bis heute aufrecht. Mein Sohn hat nur ein Paar Großeltern, meine Eltern, und das ist auch verdammt gut so!! Andererseits müsste ich schließlich auf der einen Seite um das Leben meines Kindes fürchten und auf der anderen Seite um böses Blut, welches ein Kind auch wirklich nicht gebrauchen kann.

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Blondies und meine Beziehung erhielt jedenfalls den nächsten großen Knacks und dass er mit in mein eh schon beengtes WG-Zimmer zog, machte die Dinge eher noch schlimmer. Ich habe noch nie erlebt, dass jemand so undankbar war, nachdem er in die Wohnung anderer aufgenommen wurde. Doch aus seiner Sicht war das wohl eh unser aller Pflicht gewesen.
Sich mit meiner Mitbewohnerin gut zu stellen mühte er sich jedenfalls nicht einmal wirklich. Im Endeffekt eskalierte das alles so extrem, dass seit unserem Auszug nicht einmal mehr ich Kontakt zu ihr habe. Etwas, das definitiv nicht hatte sein müssen. Doch Blondie war und ist das egal. Es war nie sein Problem, da er die Frau eh nie gemocht hatte.

Und trotz allem lies ich mich auf die Aktion "gemeinsam wohnen" ein. Ich ignorierte alle Warnungen. Das würde unsere Beziehung, ach was unsere Familie, retten! Und außerdem brauchte ich doch Ruhe... in meinem Gebärmutterhals war eine Zellveränderung festgestellt worden, die medizinisch als mögliche Vorstufe von Krebs anerkannt ist. Mich hatte also zusätzlich zu allem Stress auch noch die Sorge um meine Gesundheit fest im Griff. Und der schwarze Hund lies mich eh seit der Schwangerschaft schon nicht mehr klar denken.

Irgendwie ging alles schon wieder bergab und ich wusste nicht, wie ich es aufhalten sollte.
Unser Sexleben war tot. Wir stritten viel. Zwischen uns stand eine Familienfehde. Blondie und meine Mitbewohnerin waren sich ebenfalls spinnefeind. Das alles trug nicht zu einer glücklichen Familie bei.

Unser Sohn wurde in einen menschlichen Scheißhaufen hinein geboren!

Samstag, 22. August 2015

Black Dog Story

Schwangerschaft

Im Oktober 2012 erhielt ich also die alles verändernde Nachricht. Ich war schwanger. Noch ganz am Anfang.

Eigentlich hatte ich meinen Hausarzt aufgesucht, weil ich ein Magen-Darm-Problem zu haben glaubte. Mir war seit einigen Tagen schon durchgehend übel gewesen und langsam kam mir das Ganze äußerst seltsam vor. Doch mein Hausarzt kannte mich bereits seit meiner Kindheit und fragte mich, ob ich denn inzwischen Geschlechtsverkehr hätte, anstatt mir, wie gehabt, direkt Antibiotika zu verschreiben. Das hatte er mich vorher noch nie gefragt. Ich glaubte auch gar nicht an eine Schwangerschaft. Doch ich bejahte die Frage wahrheitsgemäß und so wurde mir erst einmal Blut abgenommen und ein Ultraschall gemacht. Auf dem Ultraschall war nichts zu sehen. Die Ergebnisse vom Bluttest würden in den nächsten Tagen kommen.

Und sie kamen bereits am nächsten Vormittag in Form eines Anrufs von meinem Hausarzt. "Einmal zum Gyn bitte!" Das waren seine Worte. Meine Mutter hatte mitgehört und starrte mich zunächst einfach nur an. Ich machte mich also auf zum Hausarzt, das Dokument mit dem Blutergebnis abholen und dann direkt weiter damit zum Frauenarzt. Es war so unwirklich. Beim Frauenarzt angekommen, stammelte ich leise heraus: "Mein Hausarzt... Bluttest.... irgendwie... schwanger?!" Man bat mich freundlich, im Wartezimmer Platz zu nehmen. Als ich dann zu meiner Frauenärztin ins Zimmer gerufen wurde, wusste ich gar nicht, was ich sagen sollte. Und ich hatte etwas Angst, was sie sagen würde. Doch sie war sehr freundlich. Sie erzählte mir, dass ich Glück hätte, in der Praxis würde eine Hebamme arbeiten und mich neben den ärztlichen Untersuchungen durch die Schwangerschaft begleiten, sollte ich mich für die Schwangerschaft entscheiden. Und da war es zum ersten Mal: jemand hegte Zweifel. Doch ich bezog sofort Stellung für die Schwangerschaft. Alles in mir streubte sich gegen eine Abtreibung. Den Grund hatte ich für den Moment verdrängt. Ich freute mich irgendwie sogar richtig.

Zuhause erzählte ich meinen Eltern sofort ehrlich, was Sache war und zu meiner Überraschung standen sie sofort hinter mir. Zumindest meine Mutter. Mein Vater schwieg, ehrlich gesagt, einfach.
Am Nachmittag folgte dann das unangenehmere Gespräch und zum ersten Mal zweifelte auch ich. An meiner neuen heilen Welt. Als Blondie von der Arbeit kam, fragte er mich direkt, was mit den Blutergebnissen sei und ob ich einen komplizierteren Magen-Darm-Infekt hätte. Ich verneinte. Und seine Augen weiteten sich vor Angst. "Du bist doch wohl aber nicht.... Du bist jetzt nicht schwanger, oder?", hatte er mit zittriger Stimme hervor gebracht. Und ich hatte freudestrahlend mit einem "doch" geantwortet. Dass Blondie daraufhin in Tränen ausbrach und beschloss sein Leben sei damit nun vorbei, verstörte mich extrem. Warum sollte das Leben wegen eines Kindes vorbei sein, erst recht, wenn man sich doch liebte?! Als der Mann, welchen ich für die Liebe meines Lebens hielt, also weinend vor mir saß und mich regelrecht anflehte, einen Schwangerschaftsabbruch vorzunehmen, bracht für mich eine Welt zusammen, die ich krampfhaft nicht zusammen brechen lassen wollte. Doch ich war stark und schaffte es klar zu machen: "Ich werde dieses Kind bekommen und ich werde diesem Kind seine Mutter sein. Mit Dir oder ohne Dich!" Er war am Boden zerstört. Irgendwie war er vollkommen hilflos. In der Hoffnung, mich doch noch umstimmen zu können, verbot er mir den Mund. Mit niemandem sollte ich über die Schwangerschaft reden, nicht aus seiner Familie, nicht aus unserem Freundeskreis, nicht mit ihm. Versuchte ich in den ersten Wochen der Schwangerschaft doch, mit ihm darüber zu reden, wurde er zuweilen wirklich bissig und fies. Einzig und allein wegen meiner ständigen und anhaltenden Übelkeit hatte er Sorge. Ich nahm in den ersten Schwangerschaftsmonaten 10kg ab. Mein Körper konnte nichts mehr bei sich halten.

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Im November 2011 strafte dann das Leben meinen Vater dafür, dass er nie zum Arzt ging und jahrelang trank. Meine Mutter kam unter Tränen nach Hause. Mich hatte bereits gewundert, dass mein Vater gar nicht daheim war. Doch meine Mutter klärte Blondie, welcher wie so oft ebenfalls bei mir zuhause war, und mich schneller auf, als mir hätte lieb sein können. Ich dürfe mich jetzt nicht aufregen, doch etwas schreckliches sei passiert. "Papa?", hatte ich gefragt und schon gefürchtet, er wäre verstorben. "Er hatte einen Schlaganfall. Er liegt im Krankenhaus. Auf der Intensivstation. Aber er wird schon wieder", waren ungefähr ihre Worte gewesen. Ich weiss es gar nicht mehr, denn ich war plötzlich übermannt von Wut. Purer Wut. Ich gab meinem Vater und dem Alkohol die Schuld und ich konnte und wollte kein Mitleid empfinden. Wenn er nun am Schlaganfall starb, wie meine Urgroßmutter an einem verstorben war, dann würde ich ihn auf ewig hassen. So schoss es mir an jenem Abend durch den Kopf. Und ich regte mich auf. Ich regte mich viel zu schlimm auf.

Die folgende Zeit verbrachte ich fast ausschließlich bei Blondie zuhause. Seine Mutter und Schwester kümmerten sich gut um mich. Zuhause war ich kaum noch existent. Papa hier, Papa da. Meine Mutter hatte gar keinen Kopf für mich und meine Schwangerschaft, so erschien es mir.

Alles hatte sich geändert.

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Sogar Weihnachten verbrachte ich 2012 mit Blondie und seiner Verwandtschaft, statt wie gehabt im Kreise meiner Familie. Und erstmals entwickelte ich einen Hass auf seinen Vater. Denn dieser hielt sich mit seinem Rassismus nicht länger zurück. So beschwerte er sich bei Tisch lautstark, dass sein Enkel keinesfalls so einen dreckigen ausländischen Namen tragen dürfe. Da müsse etwas nordisches her wie "Bullwei". Dann wüssten im Lebensverlauf des Kindes auch immer gleich alle Leute, wer das sagen hätte. Ein guter deutscher Junge trage eben auch einen guten und starken nordischen Namen. Mir wird heute noch schlecht. Neonazis sind halt einfach widerliche Menschen!
Ein Mädchen stand übrigens von Anfang an gar nicht wirklich zur Diskussion. Blondie sei schließlich ein deutscher Mann und habe natürlich die guten männlichen Gene ans erste Kind weiter gegeben. Mehr muss ich dazu hoffentlich nicht sagen.

Im Februar, kurz nach meinem Umzug in die WG, beschloss ich jedenfalls Blondie endlich zu gestehen, dass ich seinen Vater, nach der Nummer an Weihnachten, nie mehr wiedersehen wollte. Für Blondie brach erneut eine Welt zusammen. Dass ich seinen geliebten Vater so ekelhaft und widerlich fand und mich so sehr gegen jedes weitere Zusammentreffen sträubte, konnte er nicht verarbeiten. Und er konnte das Thema nur schwer ruhen lassen.

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Die Schwangerschaft verlief alles andere als ideal, denn der schwarze Hund witterte die beste Gelegenheit, mich erneut zu umarmen und zu liebkosen und mich vollkommen für sich einzunehmen. Blondie litt da extrem drunter. Doch ich hatte mich nicht im Griff. Welche Schwangere hat das schon?! Ich weinte unfassbar oft, wurde aus schier unersichtlichen Gründen wütend, klammerte
 wie noch nie zuvor, ich lies zu wie der schwarze Hund meine liebsten Menschen biss und wurde so schrecklich unsicher, so dass ich kaum noch allein gelassen werden konnte. Wollte Blondie doch einmal weg gehen, bekam ich direkt Panikattacken. Es war für uns beide nicht leicht. Doch für ihn, der all dies gar nicht begreifen konnte, war es besonders hart. Unsere Beziehung erlitt einen Knacks nach dem anderen.

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Als es dann endlich vorbei war, konnten wir beide kaum noch. Wir waren so gut wie am Ende. Blondie begann sogar schon, an seiner Liebe zu mir zu zweifeln. Zur Geburt unseres Sohnes drohten wir also bereits zu zerbrechen.

Freitag, 21. August 2015

Black Dog Story

Der Anfang vom Ende

Unsere gemeinsame Zeit startete also genauso turbulent, wie sie weiter gehen sollte. Doch ich hatte da überhaupt kein Problem mit. Es fühlte sich alles endlich so verdammt richtig an!

Endlich war da jemand in meinem Leben, der ohne mich für irgendwas zu verurteilen, mich einfach akzeptierte und auch mit meinen Depressionen irgendwie gar kein Problem zu haben schien. Was ich damals nicht bemerkte: der schwarze Hund hielt die Füße still, er wog mich und meinen neuen Freund lediglich in Sicherheit. Es gab zu jenem Zeitpunkt also nichts zu akzeptieren. Und so genoss ich das Leben zum ersten Mal seit Jahren drogenfrei und in folgen Zügen. Und was in der Realität nur ein Monat war, kam mir in meiner Welt wie ein halbes Leben vor.

Wir gingen gemeinsam zur Museumsnacht und ich fand so unfassbar süß, wie Blondie sich über diese Erfahrung freute. Er war zuvor wohl tatsächlich noch nie in einem Museum gewesen und erst recht hatte er nicht gewusst, wie viel Spaß das machen kann. Ich muss noch heute lächeln bei dem Gedanken daran, wie er am nächsten Tag seiner Mum stolz all die Fotos zeigte und überglücklich erzählte, wie toll ich doch sei, weil ich so viel Wert auf Kulturelles legte und ihn daran teilhaben lies. Ich sah ihn so gerne glücklich. Ich liebte ihn wirklich sehr!
Und es blieb nicht bei der Museumsnacht. Es folgten Kinobesuche, Essen gehen in seinem Lieblingsrestaurant und so viele andere schöne Dinge, die ich so überhaupt nicht kannte. Nach meiner Klassenfahrt zB trug er mir den Koffer heim, nachdem er eine Stunde lang nachts in der Kälte auf mich gewartet hatte. Auch integrierte er mich super in seinen Freundeskreis, den ich schnell schätzen und lieben lernte. Alles war so unendlich schön!

Nach einigen Wochen lernte ich dann auch seinen Vater kennen. "Verletze meinen Sohn nicht! Ich habe ihn nie zuvor so verliebt und glücklich gesehen!", hatte er zu mir gesagt, als jener grad zur Toilette war. "Niemals. Ich liebe ihn und ich glaube wirklich, er ist der Richtige für mich!", hatte ich damals geantwortet und anschließend meinen Liebsten lächelnd und mit einem Kuss in Empfang genommen. Wir waren glücklich! Welch Ironie, dass ausgerechnet sein Vater, der sich anfangs so um das Glück seines Sohnes gesorgt hatte, nicht gerade wenig zu unserem Ende und unseren düstersten Zeiten beitrug. Ich gebe diesem Mann noch heute eine nicht geringe Mitschuld am Scheitern meiner eigenen kleinen Familie.

Blondie tat mir gut, wie kein anderer es zuvor getan hatte. Er war mein Grund, die Drogen links liegen zu lassen und die Welt mit klarem Blick sehen zu wollen. Er war mein Aphrodisiakum! Ich fand ihn unfassbar attraktiv. Ich liebte den Sex mit ihm. Nicht selten vögelten wir die komplette Nacht durch. Gern weckte ich ihn vor der Arbeit mit ein wenig Sex. Es lief einfach richtig gut! Zu gut... denn nur einen Monat nach unserem ersten Date schlich sich eine befruchtete Eizelle in meiner Gebärmutter ein. Der schwarze Hund hatte meine Augen verschlossen und so hatte ich mich viel zu schnell auf ungeschützten Sex eingelassen, ohne auch nur eine Sekunde an die Konsequenzen zu denken. Ich war dumm! Aber glücklich!

Donnerstag, 20. August 2015

Black Dog Story

Das Kennenlernen

Im Sommer 2012 lernte ich ihn also kennen - den Vater meines Kindes. Gesehen hatte ich ihn auch früher schon ein paar Mal. Bis zu jener Partynacht im August, hatten wir jedoch nie wirklich lange miteinander geredet. Lediglich zum Bandmatch im Mai waren wir uns schon einmal körperlich näher gekommen. Er hatte mich damals zum Feiern und Springen animieren wollen und war von mir mit einem "was ein Idiot... süß, aber Idiot!" dafür entlohnt worden. Nun verhielt sich das Ganze ein wenig anders. Denn er kam auf die Party, für welche ich nun schon seit einigen Monaten an der Kasse stand und als er ging, blieb er erneut an der Kasse hängen, wo meine Kollegin, und bis Anfang diesen Jahres beste Freundin, sich mit ihm unterhielt. Er ließ sich am Ende ihrer Unterhaltung noch ganz eilig von mir meine Nummer geben und verschwand schließlich in die Nacht, bevor ich hinterher konnte, um ihm zu sagen, dass mein Handy aktuell doch gar nicht funktionierte. Ich hatte kein Guthaben mehr.

Dennoch sollten wir uns am nächsten Tag bereits wiedersehen. Ich war mittags zum Grillen mit Freunden im Park verabredet und hütete mich, den Jungs vom Vorabend zu erzählen. Irgendwie ahnte ich, dass wenig Begeisterung aufkommen würde. Wir aßen also, tranken ein paar Bier, rauchten ein bisschen was Grünes und schließlich tauchte eine Freundin auf, mit Geld auf dem Handy und seiner Nummer im Speicher. Da ich mir genug Mut angetrunken und angekifft hatte, beschloss ich tatsächlich ihm eine SMS zu schreiben und er rief auch zurück! Wir verabredeten uns noch für den selben Abend zu einem Konzert und ich war aufgeregt wie sonstwas. Irgendwie war ich auf Anhieb total verknallt gewesen.

Da das Konzert jedoch für die Katz gewesen war, ich aber schon bezahlt hatte, weshalb er und ein Kumpel dennoch ein Weilchen mit mir dort geblieben waren, befürchtete ich allerdings recht schnell, ihn komplett vergrauelt zu haben. Doch das Gegenteil war der Fall. Er rief den Rest seiner Clique an und wir folgten ihnen zum Ducksteinfestival. Hand in Hand. Wäre es nicht stockdunkel gewesen, er hätte meine rote Gesichtsfarbe wohl sofort bemerkt. Und wir tanzten. Wir tanzten zur Live-Musik. Und er küsste mich, während uns von der Bühne "Stand by Me" entgegen geschmettert wurde. Und ich war verliebt. Ich war sofort bis über beide Ohren verliebt.

Zwei Tage später, am 20.08.2012 begann also unsere Beziehung, die mehr Höhen und Tiefen wohl kaum hätte erleben können und irgendwie einfach unter einem ganz ganz ganz schlechten Stern stand und steht...

Ein Gutes hatte und hat jener Abend jedoch bis heute: er war das Ende meiner Drogensucht!

Mittwoch, 19. August 2015

Black Dog Story

Ich lebe meinen Traum?!

Da eine Bekannte die Berufsfachschule für Fotodesign Kiel bereits vor mir besucht hatte, ich ihre Arbeiten von dort kannte und sowohl sie als auch ihr Können bewunderte, dachte ich: DAS könnte tatsächlich auch etwas für mich sein! Ich hielt es für eine recht künstlerische Ausbildung. Und Künstler - das bin ich doch! Oder?

Dass ich mir im Bewerbungsverfahren zunächst nur einen Wartelistenplatz hatte ergattern können, nagte ganz schön an mir. Was hatte ich falsch gemacht?! Nichts. Und schließlich rückte ich nach. Scheinbar war es knapp gewesen für mich, die Schule hatte mir tatsächlich drei Tage lang hinterher telefoniert, um mir zu sagen: "Sie haben die Ausbildung!"
Ich weiss noch genau, wie jenes Telefonat verlief. Ich weinte vor Glück und erzählte meinem Vater danach, man habe mir einen Heiratsantrag gemacht, denn ohne Mist: genau so stelle ich mir das Gefühl vor, nachdem die Liebe deines Lebens um deine Hand anhält.

Der erste Schultag nach den Sommerferien 2011 kam also und ihm voran gingen eine ausgewachsene Panikattacke und die Überlegung, doch lieber alles hinzuschmeißen und nicht in die Schule zu gehen. Bis heute bin ich ein wenig stolz auf mich, diese Panik überwunden zu haben. Denn im Endeffekt fühlte ich mich in der Schule auf Anhieb wohl.

Einzig und allein mein schwarzer Hund sah das wohl anders. Schon wieder eine Schule? Schluss mit Alkohol, Drogen, Party? Nein! Nicht mit ihm.

Tatsächlich fiel es mir, wie so oft, sehr schwer mich zu integrieren. Ich weiss gar nicht, was es ist. Vielleicht weil ich es immer zu sehr will. Oder weil ich tatsächlich inzwischen einfach eine sehr seltsame Aura mit mir herum geschleppt habe. Oder weil man mir meinen Lebensstil tatsächlich einfach ansah und -merkte. Ich kenne die korrekte Antwort nicht. Und ich hoffe arg, mich jetzt Ende August in meine neue Klasse irgendwie integriert zu bekommen. Irgendwie.

Nunja, das Schuljahr begann also und ich war tatsächlich wissbegierig. Leider kamen mir Umstände in den Weg, mit denen hatte ich vorher gar nicht gerechnet. Und so trieb der erste Unterricht in der Dunkelkammer bezüglich des Entwicklungsprozesses von Fotos bei der analogen Fotografie mich zurück zum Schuleschwänzen. Ich mit gut 12 anderen Personen in einem kleinen komplett dunklen Raum, wo man ab und zu unbeabsichtigt berührt wurde. Ich wundere mich bis heute, dass die Panikattacke erst danach kam und nicht schon in der Kammer selbst! Mein schwarzer Hund feierte jedenfalls bezüglich meiner neuen Ausbildung den ersten Erfolg und lies von da an natürlich auch nicht mehr locker.

Weitere Triumphe seinerseits waren, mich bezüglich der mündlichen Beteiligung von Anfang an wieder so gut wie stumm zu stellen; mich um den Dunkelkammerunterricht zu umgehen zum Schwänzen zu bringen und schlussendlich natürlich auch über jenen Unterricht hinaus; mir Angst vor der Studioausstattung einzujagen, denn ich könne ja etwas kaputt machen und den darauf folgenden Ärger mir nur vorzustellen reichte natürlich für Panikattacken, weshalb ich nun auch begann das Studio zu meiden; außerdem redete mein schwarzer Hund mir sehr gut ein, völlig talentfrei und eigentlich doch komplett fehl am Platz in dieser Ausbildung zu sein.

Mit Mühe und Not kämpfte ich mich also durch das erste Schuljahr und die erste Zeit des zweiten Schuljahres und war für eine Unterbrechung meiner Schulzeit auf Grund der ewigen Kotzerei zu Beginn meiner Schwangerschaft gar nicht so undankbar.

Die Schwangerschaft hatte mein schwarzer Hund sich gut überlegt. Wäre ja ein toller Weg gewesen, mir mein Leben zu ruinieren, hätte ich zu jener Zeit nicht die richtigen Leute in meinem Leben gehabt und meine eigene Stärke zu erkennen gelernt! Ein unendlich großes Dankeschön gilt diesbezüglich meiner ehemaligen WG-Partnerin, die so toll war, mich in ihre Wohnung und ihr Leben zu lassen. Auch wenn das im Endeffekt schief ging, es war das Beste, was mir hatte passieren können!

Dienstag, 18. August 2015

Black Dog Story

Talfahrt

Im November also verlor in erster Linie mein Vater endgültig die Geduld mit mir. Denn ich war auch nach Ablauf meiner Krankschreibung nicht mehr wirklich an die Schule zurück gekehrt. Eigentlich hatte ich tatsächlich seit meiner Heimkehr nichts anderes mehr getan, als in meinem Bett zu liegen und Fern zu schauen und ab und zu mal etwas zu essen. Ausnahmen bildeten lediglich meine Sauftouren an den Wochenenden und eine einwöchige Reise nach Berlin mit einer Freundin im Oktober.

Als ich also wieder einmal nicht aufstehen wollte morgens, stürmte mein Vater in mein Zimmer, riss meine Gardinen auf und brüllte mich an: "Aufstehen, anziehen, mitkommen! Dann bringe ich Dich eben in die Schule!" So wütend hatte ich ihn, glaube ich, noch nie gesehen. Meinem Vater platzte nur sehr sehr selten die Hutschnur. Ich zog mich also tatsächlich an und ging mit ihm nach draußen. Doch schnell merkte mein Vater, in Richtung der Schule bewegte ich mich nur äußerst ungern. Also lud er mich auf einen Kaffee ein und wir führten ein langes Gespräch. Und ich kann nicht behaupten, dass er am Ende dieses Gespräches zufrieden gestellt gewesen wäre. Er war nicht mehr wütend, aber deutlich merkbar maßlos von mir enttäuscht. Ich würde die Schule abbrechen. Er würde unterzeichnen. Realschulabschluss statt Abitur. Das war's für mich am Gymnasium.
Meiner Mutter war das zu jenem Zeitpunkt schon recht egal. Ihr war nur wichtig, dass ich mich sofort beim Jobcenter als Arbeit suchend meldete, damit weiterhin Kindergeld für mich ausgezahlt würde. Und das tat ich dann auch.

Das Jobcenter war mir allerdings keine große Hilfe. Ich schrieb einfach keine Bewerbungen. Egal, wie viele Briefe mit Adressen von Firmen ich auch bekam. Nichts sprach mich an. Für nichts davon wollte ich mir auch nur im geringsten Mühe machen. Dagegen tun konnte das Jobcenter für Jugendliche recht wenig, ich wollte nämlich kein Geld vom Staat. Hätte ich zu jener Zeit Unterstützung vom Staat beantragt, hätten die Dinge natürlich anders gelegen. Aber Geld war mir herzlichst egal, solange ich nur nicht von Zuhause bzw in aller erster Linie aus meinem Zimmer raus müsse. Schließlich lies ich mich aber doch noch dazu bequatschen, in eine Maßnahme zu gehen, welche durch Berufsauszubildenen Beihilfe (BAB) vergütet würde. Meinem schwarzen Hund gefiel die Vorstellung, ab Januar eigenes Geld zu verdienen. Und Unrecht hatte er nicht. Schließlich konnte ich das Geld für Piercings und Tätowierungen gut gebrauchen.

Im Januar also startete ich in jene Berufsfindungs Maßnahme des Jobcenters für Jugendliche und schnell wurde mir klar: leicht verdientes Geld hipp oder hopp - hier hatte ich den geistigen Abgrund erreicht. Und obwohl ich mich von meinem Gehalt sowohl im Februar als auch im März endlich hatte tätowieren lassen können, war ich mit meiner neuen beruflichen Situation mehr als unzufrieden. Ich beschloss zurück an eine Schule zu gehen und bewarb mich daraufhin sowohl für die Oberstufe an anderen Gymnasien als meinem ehemaligen, als auch am Regionalen Bildungszentrum Kiel für den Lehrgang zur Sozialpädagogischen Assistentin und an der Berufsfachschule für Fotodesign Kiel für den Lehrgang zum staatlich geprüften Fotodesigner. Erstaunlicherweise hatte ich das Glück, frei wählen zu können. Im Endeffekt hatten alle mich gewollt. Wer mich kennt oder Vomiter. gelesen hat, weiss, worauf meine Wahl schlussendlich gefallen ist.

Hatte ich also den recht lobenswerten Entschluss gefasst, mich schulisch wieder zu fangen, so hatte ich privat weiterhin die Talfahrt gebucht.

Im April 2011 zog ich auf Grund der für mich nicht mehr zu ertragenden Probleme zuhause und auf Anraten der Beratungsstelle des Mädchenhauses Kiel in einer recht spontanen Aktion zuhause aus und in eine betreute Mädchen-WG bzw Zuflucht. Mein Plan war es, mir irgendwo in Kiel ein WG-Zimmer zu suchen und mit Unterstützung vom Amt nach den Sommerferien wieder zur Schule zu gehen. Doch das war alles nicht andeutungsweise so einfach, wie ich es mir vorgestellt hatte. Zwei Drittel meiner Einnahmen musste ich an das Mädchenhaus abgeben, das Jugendamt wurde über meinen Auszug von zuhause informiert und musste diesen endgültig bewilligen (darauf folgte ein Rattenschwanz an Problemen mit dem Jugendamt). Mit meinen Eltern und dem Rest der Familie gab es dadurch nur noch viel viel mehr Stress, weil sie glaubten und bis heute glauben, ich wollte ihnen einfach nur grundlos gehörig eines auswischen. So gut es mir also in der WG ging, ich erreichte trotzdem meinen emotionalen Tiefpunkt und begann schließlich in jener Zeit, zusätzlich zu meinem Alkoholkonsum, auch noch zu kiffen. Außerdem schaffte ich es, mich von einer mir nahe stehenden Person vergewaltigen zu lassen. Nein, darüber werde ich öffentlich definitiv nicht ausführlicher schreiben!! Man mag es jedenfalls kaum glauben, ich erfuhr auch etwas Positives: nämlich wie es sich anfühlt, sich so richtig zu verlieben und über Jahre hinweg keinen anderen Menschen auf dieser Erde mehr zu begehren und nur um diese eine Person zu kämpfen wie eine Löwin. Ein Kampf, welchen ich Jahre später nicht verlor sondern freiwillig aufgab. Nicht, weil ich diesen Menschen nicht mehr liebte, sondern weil unsere Liebe ungesund war. Und ich glaube zu wissen, er ist heute ein glücklicherer Mensch! Ein WG-Zimmer bekam ich leider nicht. Ich musste zurück zu meinen Eltern. Alles wurde irgendwie immer unerträglicher und der Alkohol und die Drogen immer süßere Freunde.

Die Kurve kratzte ich zum Glück dann im August wieder. Zumindest schulisch! Ansonsten hatte ich fast alles verloren.

Montag, 17. August 2015

Black Dog Story

Untergebracht bei meinen Großeltern

Ich wurde also nach meiner Entlassung aus der Klinik von meinen Großeltern mit zu sich genommen. Und ich war im ersten Moment wirklich froh darüber! Bis dahin hatte ich mich, für mein Verständnis, immer gut mit meinen Großeltern verstanden. Meine Großmutter war für mich immer so eine Art Fels in der Brandung gewesen. Gab es Probleme, sprach ich mit ihr darüber. Lag mir etwas auf dem Herzen, war sie meine Ansprechpartnerin gewesen. Mein Großvater war da zwar ein anderer Schnack; mit ihm hatte ich mich jeweils nach der Geburt der zwei Söhne meines Onkels bereits ein wenig verworfen, da die Jungs auf Grund ihres Geschlechts schon mit ihrer Geburt eine höhere Wertigkeit für ihn erhielten als ich es je gekonnt hätte. Aus Eifersucht tat und sagte ich damals also Dinge, die meinen Großvater mir gegenüber extrem auf die Palme brachten. Trotzdem war ich mir unseres Verwürfnisses nie so richtig bewusst geworden. Doch in den nächsten zwei Wochen hatte sich all das komplett ändern sollen.
Unsere Vorstellungen über die Geschwindigkeit meiner Genesung gingen einfach komplett auseinander, genauso wie über meine bereits zurück erlangten Fähigkeiten. Ich hatte die OP auf Grund der psychischen Rahmenbedingungen nicht halb so gut weg gesteckt wie die meisten anderen Menschen es wohl hätten. Deshalb konnte ich einen Einkauf im Großmarkt noch am Tag meiner Entlassung aus dem Krankenhaus kaum durchstehen und musste wie die ganz ganz alten Leute in der dort zur Verfügung gestellten Sitzecke Platz nehmen und mich ausruhen, bis meine Großeltern mich dort nach getanem Einkauf wieder abholten. Punkt 1 der meinem Großvater so gar nicht passte. Und dann war da ja noch mein Gang. Als wir zum Haus meiner Großeltern kamen, watschelte ich eben in meinem vor zwei Tagen erlernten Pinguingang den Weg zum Haus entlang und wurde von den Nachbarn gesehen. Was sollten die denn von mir denken?! Keine Ahnung, vielleicht dass ich drei Tage zuvor eine Rücken-OP hatte und grad überhaupt nicht anders konnte. Aber das war meinen Großeltern sowieso peinlich! Wer wurde denn auch schon mit siebzehn Jahren wegen eines Bandscheibenvorfalles operiert?! Ich!! Aber das ging eben in niemandes Kopf so richtig rein.
Am nächsten Tag fuhren meine Großeltern mich kurz zu meiner Schule, ich sollte meine Krankschreibung für die nächsten drei Wochen abgeben. An sich kein Problem. Die Treppen, welche zwischen dem parkenden Auto, mir und dem Lehrerzimmer hin und zurück lagen, waren da schon eher ein Problem für mich. Zurück half mir glücklicherweise eine Mitschülerin.

Ihr müsst wissen: Der Krankenhausaufenthalt hatte den schwarzen Hund so extrem genährt und mich selbst im selben Atemzug so extrem ausgelaugt, die Tage darauf fühlte sich jeder gelaufene Meter für mich wie ein Halbmarathon an. Abgesehen von jenen kurzen Ausflügen, blieb ich also, solange es nicht gar nicht anders ging, in meinem Bett oder auf dem Sofa meiner Großeltern liegen und schlief halt auch extrem viel. Ich war faul!

Am Montag eine Woche drauf fuhren meine Großeltern mich zu meinem behandelnden Orthopäden, die Klammern sollten entfernt und die Narbe kontrolliert werden. Alles sah so weit gut aus. Ich durfte wieder duschen, solange ich ein Duschpflaster benutzte. Ich war so unendlich froh! Jedoch hatte ich mir im Wartezimmer aus Sicht meiner Großeltern erneut eine unverzeihliche Peinlichkeit geleistet. Wir hatten einige Zeit warten müssen, bis ich ins Behandlungszimmer gebeten wurde und ich hatte die Schmerzen vom Sitzen kaum aushalten können, bis ich zunächst zu weinen begann und im Endeffekt tatsächlich einen nicht gerade leisen Streit mit der Sprechstundenhilfe anfing. Sie verstand meine Ungeduld auf Grund meines schier unerträglichen Schmerzpegels nämlich genauso wenig wie ich die Tatsache verstand, dass man einen Patienten mit so starken Schmerzen so lange warten lies.

Warum ich das so explizit erwähne? Nun, dieser Streit war mir selbst im Endeffekt so unangenehm, dass der schwarze Hund beschloss eine neue Mauer zu errichten. Ich ging bis zu meiner Schwangerschaft kein einziges Mal mehr zu meinem Orthopäden; blieb nach der Bandscheibenoperation und entfernen der Klammern also unbehandelt!

Zwei Wochen hielten meine Großeltern es nach der Operation knapp mit mir aus. Aus der Sicht meines Großvaters war ich viel zu weinerlich, jammernd, faul, unnütz und stellte mich eh nur an. Mein größter Fehler war es in jenem Moment, zu versuchen mit meinem psychischen Zustand zu argumentieren. Mein Großvater und ich gerieten in den größten Streit unserer gemeinsamen Geschichte, welcher seinen Höhepunkt in einer Backpfeife meines Großvaters mir gegenüber fand und dazu führte, dass meine Großmutter darauf bestand, dass mein Vater mich sofort abholte. "So wütend habe ich deinen Großvater in mehr als 50 Jahren Ehe noch nie gesehen.", waren ihre Worte gewesen. Es täte ihr Leid, aber unter diesen Umständen, wäre ihr Mann ihr wichtiger. Keine Ahnung, ob ich je zuvor so verletzt gewesen bin.

Mein Vater holte mich also ab und brachte mich zurück nach Hause, wo meine Mutter mich in Empfang nahm.

Ich ging von einem Ort, welchen mein schwarzer Hund uns als neuen Teil der Hölle erschlossen hatte, zurück in meinen alten Teil der Hölle auf Erden. Wir waren zurück in unserem Zimmer. Und dort blieben wir noch einige Wochen, bis in den November hinein..

Samstag, 15. August 2015

Black Dog Story

Notfall OP

Es muss der 16.09.2010, ein Donnerstag, gewesen sein. Nachdem meine Eltern mir erst nicht hatten glauben wollen wegen meines Fußes, hatten sie mir schließlich - ich hatte nicht aufgehört zu weinen - so weit Gehör geschenkt, dass mein Vater mich zu meinem behandelnden Orthopäden fuhr. Und dieser verlor keine Zeit! Er schickte uns direkt weiter in die Lubinusklinik, wo man erneut ein MRT Bild von meinem Rücken fertigen sollte und entscheiden würde, wie es nun weiter ginge.

Wir fuhren also in die Klinik und das MRT Bild wurde gefertigt, direkt im Anschluss wurde ich mit der Bilder CD zu einem behandelnden Arzt innerhalb des Klinikums geschickt. Es folgten ein Gespräch über meinen gesundheitlichen Zustand und die Entscheidung zur OP. Gut, hatte ich damals gedacht, dann in ein paar Wochen halt zur OP. Doch es waren keine Wochen mehr, es waren Tage.
Am Freitag wurden im Klinikum die für die Op nötigen Stationen abgeklappert. Man zeigte mir die Station, auf der ich bleiben würde, wo dann auch direkt ein Arzt das OP-Gespräch führte. Mein Vater und ich lachten noch über die Risiken. Ein Mal in 25 Jahren würden jemandem, da in Bauchlage operiert wird, die Blutgefäße im Bauch platzen und sie müssten denjenigen mit geöffneter Operationswunde in Rückenlage bringen und den Bauch ebenfalls öffnen, um die Blutungen zu stoppen und ein inneres Verbluten zu verhindern. Keine Ahnung warum, aber wir fanden die Vorstellung witzig. Man erzählte mir auch, dass ich als zweite am kommenden Montag, dem 20.09. operiert werden würde. Vor mir war noch ein dreijähriges Kind mit fehl gestellter Hüfte im OP angemeldet. Mir tat dieser kleine Junge unendlich leid, doch ich lernte ihn noch am selben Tag kennen und dieser Dreijährige hat mich zu so vielem inspiriert! Er war so unendlich tapfer!!
Nach dem OP-Gespräch folgte der Besuch beim Anästhesisten und schließlich konnte ich das Klinikum bis zum Sonntag Abend noch wieder verlassen.

Für das Wochenende war meine damalige Freundin aus Bremen angereist. Sie hatte den Samstag und den Sonntag wenigstens bis zum Nachmittag noch mit mir verbringen wollen. Außerdem war sie erst kürzlich aus ihrem Urlaub in Japan wiedergekommen und hatte mir für meinen Klinikaufenthalt unbedingt noch etwas mitbringen wollen - einen Pikachu Kigurumi! Leider besitze ich diesen seit meinem Auszug bei meinen Eltern nicht mehr. Doch dieser Besuch hatte mir Kraft gegeben.

Mein Vater fuhr mich also am Sonntag Abend in die Klinik, wo ich dann alleine die Nacht auf den Montag verbrachte und bis nach der Operation auch allein bleiben würde.

Es war so ein unendlich beschissenes Gefühl, alleine hinunter in den OP gefahren zu werden, mich dort vor Fremden zu entkleiden und von einer echt unfreundlichen Krankenschwester für die Narkose entgegen genommen zu werden. Fest entschlossen nicht zu weinen, sang ich leise Guren von the GazettE, bis ich in die Narkose entschlief.
Als ich im Aufwachraum wieder zu mir kam, durchzog meinen Körper sofort ein brennender und stechender Schmerz. Weinend rief ich nach einer der Schwestern. Diese konnte kaum glauben, welche Schmerzen ich in dem Moment ertrug. Man hätte mir während der OP so starke Mittel gespritzt, sie könne mir nichts geben. Doch ich hörte nicht auf zu weinen und zu zittern. Die Schmerzen waren viel zu stark! Man zog also einen Arzt zu Rate und beschloss, mich an einen so genannten Schmerzmitteltropf anzuschließen. So könne ich mir mit Hilfe einer Pumpe, deren Knopf mir in die Hand gelegt wurde, über die Braunüle in meinem Handgelenk selbst Schmerzmittel zuführen, wenn ich diese brauchte. Und ich brauchte sie! Der Schmerzmittel-Missbrauch der letzten Monate hatte mich nahezu immun gemacht.
Mich kaum beruhigen könnend, weinte ich nach meiner Mama und wollte nirgendwo anders mehr hin als auf mein Zimmer und zu meiner Mutter. Diese musste allerdings erst noch angerufen werden. Doch immerhin machten meine Eltern sich nach diesem Anruf direkt auf den Weg und fuhren zu mir ins Krankenhaus. Sobald sie da waren, schob man mich aus dem Aufwachraum und brachte mich zu ihnen auf mein Krankenzimmer.

Ich weiss noch, wie meine Mutter mir die Stirn streichelte. Ich solle mich beruhigen und schlafen. Mein Körper bräuchte jetzt Schlaf. Und ich spürte und wusste, wie wenig sie dort bei mir sein wollte. Sie war gegen die Operation gewesen, hatte diese für ein unnötiges Risiko gehalten, nahm mir die Operation sogar irgendwie übel.
Erst redete ich gegen an, dann tat ich so als würde ich tatsächlich einschlafen. Nur um zu hören, was nicht für meine Ohren bestimmt gewesen war. Mein Vater hatte seine Stimme erhoben: "Können wir endlich gehen? Wenn eine halbe Stunde rum ist, wird der Parkplatz teurer."

Das blieb der einzige Besuch meiner Eltern im Krankenhaus, sie mussten schließlich arbeiten, und ja verdammt, daran zu denken tut noch heute extrem weh. Zum ersten Mal, während ich die Black Dog Story schreibe, gerate ich an einen Punkt, an dem ich kaum weiter schreiben kann. Mir schnürt sich der Brustkorb zu und ich sitze weinend vorm PC. Hier sind wir, lieber Leser, nun also gemeinsam bei einem Trauma angekommen, welches mich noch heute nicht loslässt. Fast fünf Jahre danach.

Nun denn... ich war also nicht eingeschlafen und wie selbstverständlich drückte ich immer und immer wieder den Knopf der Pumpe am Schmerzmitteltropf. Irgendwann im Tagesverlauf rief mich eine Freundin an. Ich erinnere mich nicht an das Telefonat, so zugedröhnt war ich. Doch sie sagt bis heute, wir haben fast drei Stunden telefoniert; muss aber auch zugeben, wirklich klar war ich nicht gewesen.
Die Schwestern stellten später erschrocken fest, dass ich die Schmerzmittel tatsächlich bis zum Abend aufgebraucht hatte. Man füllte nicht auf.

Am Dienstag bekam ich eine sehr nette ältere Dame mit in mein Krankenzimmer. Zudem kamen meine Großeltern mich besuchen. Und eine Freundin war auch kurz zu Besuch gekommen. Es ging mir nicht gut, doch diese kurzen Besuche heiterten mich ein wenig auf. Ich konnte bereits wieder aufstehen und kurze Strecken laufen.
Abends war dann auch noch mein damals bester Freund zu Besuch gekommen, hatte sich ein paar meiner CDs ausgeliehen und war schließlich nach dem Abendbrot von den Pflegern auf Station gebeten worden, zu gehen. Damals habe ich diesen Menschen wirklich sehr geliebt. Er war wie ein Bruder für mich. Er war mehr. Schade, dass er sich nur ein halbes Jahr später, ohne sich dies je bewusst zu machen, in meinen schlimmsten Albtraum verwandelte...

Am Mittwoch erreichte mich ein Anruf. Meine Tante wollte mir eine gute Besserung wünschen und auch mein Cousin nutzte die Gelegenheit, mit mir zu sprechen. Er erzählte mir, wie er an der neuen Schule gemobbt würde und wie gemein die anderen Kinder zu ihm waren. Es brach mir das Herz und ich fühlte mich so schrecklich hilflos. Die alte Dame im Bett neben meinem tröstete mich. Sie war meine einzig wirkliche und beste Begleitung durch jene Tage.
In der Visite teilte mir der Chefarzt schließlich mit, ich könne am nächsten Tag nachhause. Als er an das Bett der alten Dame heran trat, sprach sie jedoch nicht wie sonst von sich. Sie erzählte ihm ihre Beobachtungen, wie meine Familie mich nicht beachtete, wie sehr ich psychisch litt. Der Chefarzt trat nun wieder an mich heran. Er erklärte mir, dass ich auch mit fast 18 Jahren das Jugendamt zu Hilfe ziehen könne. Er selbst würde nicht anrufen, ich war schließlich Siebzehn. Doch er empfahl es mir dringlich. Ich lehnte ab. Niemals würde meine Familie mir das verzeihen, niemals könne ich ihnen das antun. Niemals dauerte kein halbes Jahr an.
Nach der Visite rief ich also meinen Vater an, er sollte mich am Donnerstag Morgen abholen. Die genaue Zeit wisse ich noch nicht, aber wohl so gegen neun. Wir gerieten in Streit. Er würde mich nicht abholen! Verzweifelt rief ich, nachdem ich mich ausgeweint hatte, also meine Mutter an, welche von meinem Vater bereits über den Streit erfahren hatte. Ich seie frech geworden und undankbar und dürfe meinem Vater gegenüber nicht so beleidigend sein. Vielleicht wäre es besser, meine Großeltern holten mich ab und ich bliebe erstmal bei ihnen.
In Vorbereitung auf meine Entlassung zeigte man mir also, wie ich nun Treppen zu steigen hätte. Man schrieb mich für weitere drei Wochen krank. Ich watschelte schlimmer als jeder Pinguin.

Und so war es dann auch. Am Donnerstag Morgen holten meine Großeltern mich ab und wir fuhren zu ihnen, statt in mein zuhause und ich glaubte tatsächlich, es wäre gut so...

Freitag, 14. August 2015

Black Dog Story

Nach dem Hochmut kommt der Fall
Entlassen aus der Psychiatrie

Kaum raus aus der Psychiatrie fühlte ich mich also erst recht vom Leben gestraft. Alle hatten immer gepredigt, ich solle mir Hilfe suchen und nachdem ich das nun für eine kurze Zeit getan hatte, wurde ich dafür bestraft. Das rief in mir hauptsächlich eines hervor: den einsamen Wolf. Von da an wurde mir alles egal.

Schulisch erreichte meine Schwänzer-Karriere nun in der 10ten Klasse mit 127 Fehltagen ihren Höhepunkt. In der 11ten Klasse toppte ich das Ganze wiederum durch 11 Fehlkurse im Jahresabschlusszeugnis. Natürlich war mir nun die Ehrenrunde sicher.
Anstatt morgens im Unterricht zu erscheinen, ging ich einen Kaffee trinken, kaufte mir Zigaretten, fuhr in die Stadt, verkaufte dort auf der Straße von mir gezeichnete Bilder, machte bis zu 11€ am Tag und ging mir davon Bier kaufen, welches ich am Wasser trank. Man könnte also behaupten, ich umging meinen Hausarrest, indem ich meine Schulzeit aus meiner Sicht sinnvoll nutzte. So fand man mich zum Weihnachtsmarkt zB um 10 Uhr morgens keineswegs im Klassenraum sondern Glühwein trinkend in der Stadt vor. Ging ich doch einmal zur Schule, hatte ich nicht selten vorher wenigstens ein bisschen Alkohol in meinen Blutkreislauf gebracht und kam eigentlich immer erheblich zu spät in den Unterricht. Auf Grund meiner weiterhin anhaltenden Rückenschmerzen, welche schließlich als doppelt angelegter lumbaler Bandscheibenvorfall identifiziert wurden und eben nicht als geklemmter Nerv, erhielt ich dauerhaften Zugang zu starken Schmerzmitteln. War also kein Alkohol zur Hand, waren die Schmerzen enorm und sah ich mich irgendwie gedrängt, zur Schule zu gehen, so warf ich mir nicht selten eine nicht ungefährliche Menge jener Schmerztabletten ein und war in der Schule wie auf Droge. Bzw ich war auf Droge.

Der Alkohol und die Schmerztabletten betäubten alles in mir. Doch der schwarze Hund war fleißig am Flüstern und er flüsterte mir immer wieder zu: "Dir geht es gut. Dein Leben läuft grad richtig geil! Merkst Du, wie viel Spaß wir gerade haben? Scheiß auf die Schule und das Gerede der Leute. Uns geht es toll!"

Zu jener Zeit kam mir dann auch die fixe Idee, Friseurin werden zu wollen. Ich bewarb mich und wurde trotz meiner enormen Fehlzeiten zum Vorstellungsgespräch geladen, welches ich ebenfalls mit Bravur meisterte. Den Kreativitätstest bestand ich genauso problemlos und so wurde ich für die Ausbildung akzeptiert und ins Praktikum aufgenommen. Ich war stolz wie sonstwas! Endlich würde ich etwas machen, was ich wirklich wollte. Meinen Traumberuf ausüben. Davon war ich nun fest überzeugt. Und ich hatte mir das ganz alleine erarbeitet!
Warum ich dann heute keine Friseurin bin? Nun, ich war Siebzehn, also noch nicht volljährig und somit sieht das deutsche Gesetz vor, dass ich mir zu jenem Zeitpunkt eine Ausbildung noch ärztlich genehmigen lassen musste. Wie das geendet ist, könnt Ihr Euch wohl denken. Unter Tränen war ich im Arztzimmer zusammengebrochen. Ich hatte gebettelt, gewinselt und gefleht. Doch mir stand der schwerste Gang bevor. Der Gang zu meinem eigentlich zukünftigen Arbeitgeber mit dem niederschmetternden Attest meines Arztes und einem von meinen Eltern in Folge natürlich nicht unterschriebenen Ausbildungsvertrag. Mir wird heut noch wieder ganz anders in der Magengegend, wenn ich daran denke und ich muss zugeben: seitdem und bis zum heutigen Tag bin ich vollkommen ratlos, was ich beruflich eigentlich machen möchte. Nichts spricht mich mehr an und alles ist irgendwie einfach nur noch schei*e.
Da ich in der Schule nichts von alledem erzählt hatte, konnte ich zum Glück das Gymnasium ganz normal weiter besuchen. So normal wie oben geschildert halt.

Zu jener Zeit war ich der festen Überzeugung, mein Leben würde wohl niemals bessere Tage erleben. Und mein Bandscheibenvorfall trug seinen Teil bei. Bis ich eines Morgens im September 2010 erwachte und meinen rechten Fuß nicht mehr spüren konnte...

Donnerstag, 13. August 2015

Black Dog Story.

Zentrum für integrative Psychiatrie
meine Zeit in der Klapse

Am 28ten September 2009 war es dann also so weit.

Ich traf mich nach der Schule, nachdem ich mir kurz zuvor wieder einmal den linken Arm aufgekratzt hatte, mit einer sehr guten Freundin. Wir saßen in einem Burgerrestaurant im Hauptbahnhof und ich schilderte ihr meine Ängste und welch düstere Gedanken mich nun immer häufiger heimsuchten. Die Sorge stand ihr ins Gesicht geschrieben. Und sie kam nicht umhin zu betonen, ich sah nicht mehr gut aus. Kränklich, blass.
Seit dem Sommer hatten mich unfassbar heftige Rückenschmerzen geplagt. Mein Arzt dachte an einen geklemmten Nerv, gab mir Schmerzmittel. Ich wusste, es war etwas anderes. Das Ganze warf mich extrem aus der Bahn. Ich rauchte wie ein Schlot und schmiss viel zu viele jener Schmerztabletten ein. Es wurde zur Sucht.

Gemeinsam beschlossen wir also einen Spaziergang zu machen - zur örtlichen Psychiatrie.

Es wurde ein Aufnahmegespräch mit mir geführt, bei dem ich unter Tränen mein Leben und diese Dinge in meinem Kopf schilderte. Man stufte mich nicht als akut Suizidgefährdet ein. So kam ich auf die offene Jugendstation des Klinikums. Meine Eltern wurden angerufen. Ich würde auf unbestimmte Zeit dort bleiben und dort auch zur Schule gehen. Widerwillig brachte mein Vater mir am Abend einige wild zusammen gewürfelte Klamotten mit, welche ich eigentlich längst aussortiert hatte. Meine Mutter wollte nicht mehr mit mir sprechen. Ich fühlte mich extrem unwohl, hatte Angst, wer die anderen Jugendlichen sein würden.
Doch die Angst war unbegründet! Ich traf einige der tollsten Menschen, die ich in meinem bisherigen Leben habe kennen lernen dürfen. Wir waren für einander da. Wir lachten miteinander. Wir hatten Spaß miteinander. Zum ersten Mal in meinem Leben fühlte ich mich innerlich so aufgeräumt, dass ich meinen Teil des Klinikzimmers unfassbar ordentlich hielt. Meine CDs standen alphabetisch sortiert und in exaktem Abstand zu einander auf der Fensterbank; das werde ich nie vergessen! Ich nahm nun auch keine Schmerzmittel mehr ein. Ich begann mich tatsächlich wohl zu fühlen und ich erkannte: mich selbst zu verletzen muss aufhören! Und das tat es von da an auch.
Einen Abend bekam ich Besuch von zwei Freundinnen. Das tat mir ebenfalls unglaublich gut. Sie hatten mir eine Zahnbürste und etwas Make-Up gekauft. Kleidung hatten sie mir leider nicht mitbringen können. Sie waren an meiner Mutter gescheitert, welche ihnen die Wohnungstür partout nicht hatte öffnen wollen. Wer weiss, weshalb, Meine Mutter sagte wenig später, ich hätte ihr meine Freunde auf den Hals gehetzt und sie habe sich bedroht gefühlt. Schwachsinn, wenn man mich fragt. Meine Mutter ist um die 1,80m groß und nicht schmächtig. Jene Freundinnen knackten knapp die 1,60m und waren Fliegengewichte und grundsätzlich freundlich veranlagt, von ihrem Besuch bei meinen Eltern hatte ich im Vornherein gar nicht gewusst. Bedrohung, Hetze? Wo? Naja...

Schnell wurde ich übermütig. Ich fühlte mich nach kurzer Zeit so stark und in mir gefestigt, dass ich die Psychiatrie extrem schnell wieder verlassen wollte. Man riet mir ab, der Oberarzt versuchte mich vom Gegenteil zu überzeugen. Ich blieb standhaft. Ich war in so einem Hochmut gefangen. Ich dachte, nun könne ich es mit der gesamten Welt aufnehmen! Und das wollte ich mir selbst und allen anderen sofort beweisen. Ich glaubte wirklich, nun gesund zu sein. So wie ich es mir immer gewünscht hatte. Und schließlich stand nur noch eines zwischen mir und meiner Freiheit: ein Elterngespräch. Und ich hatte, wie sich rausstellen sollte zurecht, höllische Angst davor.

Lasst mich sagen, jenes Elterngespräch schrieb Stationsgeschichte, war so noch nicht erlebt worden und sorgt noch heute für Gesprächsstoff zwischen meinem Ex-Freund aus jener Zeit und mir. Ja, ich verliebte mich in der Psychiatrie bzw kurz danach in jemanden auf Station. Different Story!
Was dieses Elterngespräch so besonders machte: zum einen die extreme Lautstärke - wir waren am anderen Ende des Gebäudes gut und deutlich zu verstehen - und dann waren da noch die extrem vielen Beleidigungen und Vorwürfe aller gegen alle und nicht zu vergessen die völlig abstrusen Ideen meiner Mom. Einige werde ich Euch nennen. Basieren taten diese Ideen alle auf der Vorstellung meiner Mom, weil ich nun offiziell Suizidgedanken hatte, könne man mich nicht mehr aus den Augen lassen, denn ich könne jeden Moment hopps gehen. Das zum Hintergrund.

Mein persönlicher Favorit war die Drohung meiner Mutter an die Psychologin, sollte sie mich entlassen, würde meine Mutter vor Gericht eine Zwangseinweisung meiner Person erwirken. Dies wurde glücklicherweise jedoch sofort von jener Psychologin fundiert abgeschmettert. Verdammt, hatte diese Drohung mir Angst eingejagt! Dann kam die aberwitzige Idee auf, mich zukünftig in meinem Zimmer Video zu überwachen. Dies wurde ebenfalls zerschmettert, man müsse mir schon weiterhin eine Privatsphäre zugestehen. Kompromiss: Ich durfte meine Zimmertür nicht mehr komplett schließen, nur noch anlehnen. Ich hielt mich nicht allzu lange daran. Also kam die absolut beschissenste Konsequenz auf mich zu, welche auch durchgezogen wurde: ein halbes Jahr Hausarrest! Zu ihrer Verteidigung, sie zog davon nur drei Monate durch und wandelte die restlichen drei Monate in ein Internetverbot um. Nicht minder beschissen, um ehrlich zu sein.

Ist es sinnvoll ein Kind oder eine Jugendliche zu Bestrafen, die diese Schritte im Leben gegangen ist? Nein. Definitiv nein. Sinnvoll ist das nicht. Wie wenig sinnvoll zeigte sich an meinem daraus resultierenden Verhalten. Aber ich erreichte mein Ziel, ich wurde aus der Psychiatrie entlassen.

oOoOoOo

Ich gebe meinen Eltern nicht länger die Schuld, versteht dieses Kapitel bitte nicht falsch! Mein Leben ist halt einfach nicht immer ideal gelaufen und man hätte auf allen Seiten vieles anders lösen können. Aber all dies hat mich zu demjenigen gemacht, der ich heute bin und ich bin heute ein fast schon glücklicher Mensch. Mit vielem, was mich heute zu überrollen versucht, komme ich wegen all jener Erfahrungen perfekt zurecht und kann vielem trotzen. Alles hat immer auch seine guten Seiten!

Mittwoch, 12. August 2015

Black Dog Story.

Beginnende Pubertät

Selbst verletzendes Verhalten war natürlich nicht das einzige, was meinen Start in die Pubertät begleitete. Es passierte mir im Vergleich zu anderen Betroffenen sogar sehr selten.

Nun zu dem Kommenden: ich werde in diesem Kapitel nur sehr wenige zeitliche Zusammenhänge nennen. Ich nenne viele Zeitpunkte nicht nicht weil ich es nicht will, sondern weil ich es schlicht gar nicht kann.

oOoOoOo

Über die Schule nahm ich einige Jahre in Folge am Programm für hochintelligente/-begabte Schüler teil. Hierbei handelte es sich nicht um Förder- sondern - Achtung, Wortspiel des Bildungsministeriums - außerschulischen Forderunterricht. Der forderte mich tatsächlich jedoch so wenig, dass ich in jener Zeit meine Schulschwänzer-Karriere begann und immer häufiger Ausflüge an die Kieler Förde machte, als zu jenem Nachmittagskurs namens "Ökologie der Ostsee" zu gehen. Nicht dass der Kurs schlecht gewesen wäre. Aber Mikroskopieren fand ich schon immer eher langweilig und über die Ökologie der Ostsee wusste ich in der, es muss ungefähr die 8te Klasse gewesen sein, auch längst bestens bescheid. Ich war als Kind Hobby-Meeresbiologe und Paläonthologe gewesen.
In der Schule selbst kannte meine Lustlosigkeit mit der Zeit keine Grenzen mehr und meine Kritik am deutschen Schulsystem wuchs und wuchs. So bemängelte ich immer offener die Wertstellung der aus meiner Sicht so völlig *hier beliebiges abwertendes Schimpfwort einfügen* mündlichen Beteiligung und machte durch meine Verweigerung eben dieser deutlich, wie sehr ich mir ein System des stillen Lernens wünschte. Meine Ohren konnten den Schwachsinn vieler Wortmeldungen kaum ertragen, geschweige denn deren Sinnhaftigkeit für den Lernprozess des ihn aussprechenden Individuums erkennen. Meine Lehrer trieb ich damit bis zur 11ten Klasse in den Wahnsinn und nicht wenige appellierten an meine Vernunft. Vergeblich. Meine Noten wurden mangels mündlicher Leistungen schlechter und schlechter.

In meiner Freizeit hatte ich mich vollkommen in die japanische Visual Kei Bewegung verliebt. Ich zeichnete meine liebsten Musiker, wollte aussehen wie sie und ihr Leben leben. Sogar auf einige Konzerte japanischer Rockbands konnte ich gehen! Und ich trug den Visual Kei, wiederum zum Leidwesen mancher Lehrer, auch mit in die Schule. Meine Kleidung wurde düster und unangemessen. Ich perfektionierte meine Außenseiterrolle und fühlte mich damit durchaus wohl.
Ich stach mir selbst eine Unmenge an Ohrlöchern, 19 um genau zu sein. Irgendwann begann ich mit einem Strohhalm mein erstes Lobe zu dehnen. Ich war da schmerzbefreit. Auch erste Piercings stach ich mir selbst. Meine Mutter hätte sie mir am Liebsten wieder aus der Lippe gerissen und drohte unter anderem auch genau damit.

Am Visual Kei faszinierte und verführte mich vor allem die auf der Bühne gelebte Androgynie der Musiker. Und die Schönheit der japanischen Sprache, mit welcher sich unfassbar tiefgehende Metaphern wundervoll formulieren lassen. Aber auf die Androgynie bezogen: es sprach mich einfach an! Ich selbst kam mit meinem Körper, seit mir mein Busen mit neun gewachsen war, nicht mehr klar. Nicht selten hatte ich meine Mutter in den Folgejahren gefragt, ob ich die Dinger nicht einfach abschneiden könne. Klamotten kaufen? Am liebsten nur in der Jungenabteilung! In der VK Szene war mein Bedürfnis nach maskulinem Aussehen gar kein Diskussionsthema. Sollte ich doch machen! Es störte niemanden, wenn ich mir den Busen abband oder Jungenkleidung trug. Ich war akzeptiert, nicht verkleidet wie sonst immer und wie ich es heute oftmals, zumindest gefühlt, wieder bin. Ich war ein Stück weit tatsächlich frei.

Und ich lernte, dass Liebe frei von Geschlechtern ist. So verliebte ich mich in eine Frau, die heut ein Mann ist. Ich verliebte mich in einen Mann, der als gewalttätig galt und mir ein Poet war. Ich schenkte meinen ersten Kuss einem bi-sexuellen, Männer bevorzugenden Mann, der in mir einen anderen Mann sah. Ich verliebte mich in eine Frau, neun Jahre älter als ich selbst. Ich verliebte mich in einen femininen Mann, der im Scherze mir die Frau und dem ich der Mann war. Ich verliebte mich in eine Frau, wie schöner sie kaum hätte sein können. Ich verliebte mich in eine Frau, hunderte Kilometer entfernt von mir. Ich verliebte mich in die Richtigen. Und ich verliebte mich in die Falschen. Ich verliebte mich so oft und so vielfältig. Ich muss heute von mir sagen: Ich liebte die Liebe! Doch ich liebte nie lange.
Wobei ich liebte nie lange falsch formuliert ist, da ich einige dieser Leute noch heute liebe und meine Sehnsucht nach ihnen nicht selten schmerzt. Nein, ich hielt es in Beziehungen bloß einfach nie lange aus. Ich bin nicht der Typ für bis dass der Tod uns scheidet. Ich bin halt eher der Typ für kurz und intensiv.

Mein Leben war trotz schwarzem Hund also ganz ganz sicher nicht immer schlecht. Es war chaotisch und kontrovers und gewiss nie wirklich gesellschaftskonform, aber es war ein Leben, welches ich bis zu einem gewissen Punkt sogar sehr gerne gelebt habe.

Dienstag, 11. August 2015

Black Dog Story.

Der schwarze Hund beißt zu

Einen Satz werde ich wohl nie vergessen: "Findest Du die Narben nicht auch hässlich?!"
Wer ihn gesagt hat? Meine Mum. Wann? Als ich in einer nicht gerade kleinen Blutlache mit großflächig aufgekratztem Arm in meinem alten Zimmer in der Wohnung meiner Eltern saß. Es war das dritte Blutbad, wie ich es nenne. Und meine Mutter war, nüchtern betrachtet, angewidert und maßlos mit diesem Verhalten überfordert.

Man nennt es selbst verletzendes Verhalten. Im Volksmund wird es oft als "Ritzen" verpönt. Nicht immer ist es Teil einer Depression, auch Aufmerksamkeitsdefizitsstörungen und andere psychische Verhaltens- und Gemütsstörungen können dieses Verhalten in einem Menschen hervorrufen. Grob spricht man zunächst einmal vom Schneider, welcher das Schneiden der Haut mit verschiedenen Gegenständen praktiziert, und vom Kratzer, welcher sich die Haut meist mit den eigenen Fingernägeln aber auch mit möglichen Hilfsgegenständen bis aufs Fleisch vom Körper kratzt. Ich war letzteres. Mein linker Arm weist viele Narben vom Kratzen auf, deren einziger Vorteil ist, dass sie schneller verblassen als Schnittwunden. Meine einzige Schnittwunde liegt ebenfalls am linken Arm, ganz ganz nahe der Pulsader und ist aus diesem Jahr.

Warum habe ich mir den Arm aufgekratzt? Was waren das für Situationen?

Beim besten Willen, ich habe keine Ahnung mehr! Aber ich weiss, dass genau dieses keine-Ahnung-haben mir damals mit 14,15,16 eine scheiß Angst eingejagt hat. Denn ich war nicht bei Bewusstsein als diese Dinge passiert sind. Sobald meine Fingernägel auf meiner Haut aufsetzten und begannen, an ihr zu schaben, verfiel ich in eine Art der Trance. Und ich erwachte meist erst, wenn ich Blut auf meinen Lippen schmeckte. Denn nicht selten leckte ich mir die Wunden und begann mit dem Blut zu spielen. Ein Mal nutzte ich es als roten Lidschatten und ging so zum Supermarkt einkaufen. War ich geisteskrank? Ja. Wahrscheinlich. Meine Verwandtschaft ist bis heute überzeugt, dass ich geisteskrank bin.

Doch wer war ich, während ich mich in jener blutdürstigen Trance befand?
Ich war meine Krankheit. Ich war ihr dunkelster Dämon selbst. Ich war der schwarze Hund.

Und wenn ich wieder erwachte, sah ich die Wunden und musste reagieren. Ich versteckte sie nicht. Sie waren für mich wie Schürfwunden von einem Radunfall es für andere Menschen sind. Säubern, desinfizieren, verbinden. Das war meine Routine. Ich bin quasi Meister darin, Fleischwunden zu verarzten. Das bin ich noch heute, auch wenn ich im "Ritzer-Jargon" clean bin.

Meine Angst vor jener Trance wurde irgendwann so stark, dass ich eine sehr gute Freundin um Hilfe bat. "Bring mich in die Psychiatrie oder im nächsten Blutrausch bringe ich mich vielleicht um!" Das waren meine Worte im September 2009.


Montag, 10. August 2015

Black Dog Story.

Lückenfüller.

Hast Du das letzte Kapitel gelesen? Allein - mit dem schwarzen Hund?

Ich hoffe, Du hast es inzwischen einigermaßen verdaut und ich brauche mir keine Sorgen um Dich zu machen. Es ist wohl ein schwacher Trost von mir, zu sagen "es ist okay". Aber ich möchte, dass Du genau das weißt und für Dich akzeptierst und auch zu Deiner Realität werden lässt: es ist okay! Ich kann mit all dem inzwischen gut umgehen und leben.
Ja, ich habe noch gelegentliche Suizidgedanken. Doch für mich sind es inzwischen alltägliche Gedanken, wie alle anderen Gedanken auch. Ich lasse sie zu mir kommen und schicke sie weiter.

Die Gedanken sind frei.

oOoOoOo

Gewöhne Dich ruhig an solche Lückenfüller. Nach besonders mitnehmenden Kapiteln oder während großer Erinnerungslücken, sowie drastischen Themenwechseln werde ich fortan immer eine solche Basis der Sicherheit für Dich schaffen.

Trete ruhig mit mir in Dialog. Ich werde für Dich da sein.
Ich lasse Dich nicht mit meinem Leben allein, so wie ich damit allein gelassen worden bin!

oOoOoOo

Wie geht es jetzt weiter? Mit den sichtbar werdenden Bissen des schwarzen Hundes.
Ich muss damals 14 oder 15 gewesen sein, als es anfing. Das selbst verletzende Verhalten.

Samstag, 8. August 2015

Black Dog Story

Allein
Mit dem schwarzen Hund

Der Hund erwachte also zwischen meinem neunten und elften Lebensjahr, genau festlegen kann und möchte ich mich da nicht. Ganz sicher wach war er jedoch, als ich 11 war. Meine Urgroßmutter väterlicher und mein Großvater mütterlicher Seits waren verstorben. Ob ich damit gut umgegangen bin, ich weiss es nicht mehr. Meine Erinnerungen verschwimmen hier, ich kann kaum sagen, was aus jener Zeit real war und was nicht. Der schwarze Hund hatte meinen Körper übernommen. Und was mich nach außen hin kaputt gemacht hat, war eigentlich meine beste Verteidigung.

Nein, ich will nicht sagen, dass mein schwarzer Hund mein Verteidiger ist. Sicher nicht! Aber er bewahrt mich vor dem Tod. Klingt ebenfalls verkehrt? Nun, so ist mein Hund jedoch. Er quält mich, beißt mich, beutelt mich, aber niemals lässt er mich sterben, so sehr ich mir das von ihm auch wünsche.

Zu diesen für mich wirklich schmerzhaften Verlusten, der Verlust meiner bildlichen Erinnerungen an meinen Großvater brachte mich oft zu Boden und ließ mich unter Tränen zusammenbrechen, kam der allmähliche Knacks im Verhältnis zu meinen Eltern.

Meine Mutter war erkrankt. Fibromyalgie. Eine wirklich wirklich schreckliche Krankheit!
Und für meine Mutter hatte von nun an häufig sie selbst Vorrang. Sicher auch gedacht zu meinem Besten, das vermag ich nicht zu beurteilen. Für meinen Vater war diese Zeit jedenfalls ebenfalls nicht einfach. Seit ich denken kann, hatte er Suchtprobleme gehabt. Von seiner Spielsucht wusste ich nur aus Erzählungen. Seine Alkoholsucht war immer gegenwärtig gewesen für mich. Er war kein unangenehmer Trinker! Aber er war einer.

Jedenfalls beschlossen meine Eltern zu jener Zeit, ich sei alt und intelligent genug, mich selbst um meine banalen schulischen Probleme zu kümmern. Ich sei zu intelligent, mich von einem Mobber fertig machen zu lassen. Und und und...

Den Hund ignorierte jeder. Dass ich immer mehr spürte, wie sich irgendwas von meiner Kraft und Energie ernährte, wurde ignoriert. Und ich begann all meinen Schmerz auf meine Umwelt zu schieben. Vom Hund hatte ich keine Ahnung, also wuchs mein Hass auf meine Umwelt. Und mein Hass auf mich selbst!

Hierzu eine kleine Anekdote:

oOoOoOo

Wie alt ich war, kann ich nicht einordnen. Es war zur Zeit der großen Ungewissheit, als die Krankheit meiner Mutter noch keinen Namen für uns hatte. Ich sah sie oft leiden, obwohl meine Eltern meine Mutter gut vor mir versteckten. Im Schlafzimmer meiner Eltern war es nun oft dunkel. 
Dies war einer jener düst'ren Tage. 
Ich hörte meine Eltern wieder über diese Krankheit reden, von der ich nichts verstand und, ich bin mir da ziemlich sicher, auch nichts verstehen sollte. Meine Mutter weinte häufig, es brach mir jedes Mal mein kleines Kinderherz. Dieses Mal nahm ich allen Mut zusammen und öffnete die eh nur angelehnte Tür zum Schlafzimmer meiner Eltern. Weinend stürzte ich hinein und warf mich auf das Fußende ihres Bettes. Schließlich begann ich schluchzend zu reden. Ich sagte, dass ich allen bloß zur Last falle. Ich sprach davon, dass die Welt ohne mich ein viel viel besserer Ort würde. Ich sprach von meinem Wunsch einfach ganz ganz bald zu sterben!
oOoOoOo

Schlimm war, mir wurde in jener Hinsicht der Mund verboten. Sowas darfst Du nicht sagen! Solche Gedanken hat man nicht! Und wenn man diese Gedanken hat, dann spricht man sie gefälligst nicht aus! Solche Gedanken ignoriert man und lässt sie gar nicht erst reifen!

Nett gemeinte Tipps, bestimmt. Aber nicht gegenüber einem Kind, dass diese Gedanken ernsthaft hat und nicht im Geringsten damit umzugehen weiss und sich tatsächlich schämt, sich nicht einfach umbringen zu können, weil es doch Angst vorm Tod hat.
So schockierend das also klingt und so schockierend es für meine Umwelt war: ich begann die Leute in meiner Umgebung zu provozieren und aufzufordern, mir körperliche Gewalt anzutun. Sie sollten erledigen, was ich mich nicht traute und der schwarze Hund gar nicht wollte. Doch sie taten es nicht oder nur sehr sehr selten und das wiederum provozierte in mir und meinem schwarzen Hund nur noch mehr Wut und Hass auf unsere Umwelt, die uns, aus unserer Sicht, so gnadenlos ignorierte...

Ich bin zwar Leihe, doch wage ich zu behaupten, ich startete mit einer nicht diagnostizierten, nicht behandelten und nicht einmal vermuteten mittleren Depression in die Pubertät.

Freitag, 7. August 2015

Black Dog Story.

Der schwarze Hund erwacht.

Ich weiss nicht, warum; im Nachhinein erscheint es mir fast amüsant.

Bis zu meinem Wechsel von der Grundschule aufs Gymnasium hatte mein schwarzer Hund stets geschlafen. Ich war ein zwar ungewöhnlich nachdenkliches, aber dennoch recht fröhliches Kind. Glaube ich. Wie fröhlich ich tatsächlich war, weiss ich nicht. Ich glaube in Wirklichkeit nicht allzu fröhlich. Den Erzählungen nach jedoch: Ich war ein recht fröhliches Kind. Etwas weltfremd, ja, aber nie allzu auffällig. Doch mit unserer Ankunft am Gymnasium begann für den schwarzen Hund das große Fressen und für mich etwas, das sich zunächst wie der Anfang vom baldigen Ende anfühlte.

Woran er sich diesmal labte? Mobbing.

Keine Ahnung warum, aber ich war von Anfang an eines der beliebtesten Mobbingopfer der Klasse. Selbst andere Mobbingopfer fanden noch Gefallen daran, mich zu mobben. Ein Grund, neben den schon zu Grundschulzeiten vorhandenen Gründen, war mein zunehmendes Gewichtsproblem. Schon in der Grundschule war ich kräftig gebaut gewesen, nun fing ich jedoch an moppelig zu werden. Einer meiner Klassenkameraden perfektionierte das Gewichtsmobbing. Für diesen Jungen war es nie notwendig gewesen, mich beim Namen zu nennen. Ich war das "dicke Ding". Und ich wehrte mich nicht. Meine Mutter hatte gesagt, wenn ich mich nicht wehre, nehme ich ihm den Spaß daran. Auf alle anderen wirkte das wie eine kalte Gleichgültigkeit, vor der sie, wie mir später einige erklärten, Angst bekamen. Meine Lehrer halfen mir nicht. Viele wussten wohl nichts. Die, die es wussten, dachten eine Zwangsversöhnung zwischen jenem Jungen und mir wäre nicht nur möglich, sondern die Lösung schlecht hin.

Ich erlitt meinen ersten ausgewachsenen Nervenzusammenbruch. In der sechsten Klasse.


Der Hund erwachte.

Doch weder ich noch irgendwer sonst bemerkte ihn zu diesem Zeitpunkt. Und wer ihn zwar bemerkte, denn sicherlich gab es solche Personen, der erkannte ihn nicht.

Wer glaubt schon an ein Kind mit leichten bis mittleren Depressionen?!

Ich war intelligent, das war nie ein Geheimnis. Und in den Köpfen der Leute war ich zu intelligent für eine Depression. Daher die kurze Info: Niemand ist zu intelligent oder zu dumm oder zu irgendwas für eine Depression!! Man ist ja auch nicht zu intelligent für Krebs.

Ich selbst gab mich meinem schwarzen Hund zu jener Zeit, ohne es überhaupt zu merken, bedenkenlos hin. Denn er nahm mir den Schmerz wie kein anderer es tat!

Donnerstag, 6. August 2015

Black Dog Story.

Geboren mit einem Welpen

Es hat damals vor 22 1/2 Jahren wohl niemand gewusst. Meine Mutter hat an jenem Samstag im Januar nicht nur ein kleines Mädchen zur Welt gebracht, mit mir wurde ein kleiner schwarzer Welpe geboren. Unsichtbar. Vermutlich noch viele Jahre schlafend.

Eine Depression kommt nicht immer einfach von heute auf morgen und schreit "hallo, huhu, hier bin ich!". Sie kommt auch nicht immer schleichend. Und sie braucht nicht immer einen konkreten Auslöser, wie einen Todesfall oder ähnliches. Eine Depression liefert nicht immer einen offen für alle sichtbaren Grund für ihr erscheinen. Und sie verlässt einen nur sehr sehr selten wieder ganz.

In meinem Fall schlummerte dieser kleine schwarze Welpe schon bei meiner Geburt als Veranlagung in mir. Beide meiner Elternteile gaben ihn mir mit auf den Weg. Und beide können und wollen bis heute nicht akzeptieren, dass er schon immer einfach da war und ich ihn nicht einfach so weg geben kann und ich mich auch nie entschieden habe, ihn zu bekommen und zu behalten. Er war einfach von Anfang an da, ein Teil von mir.

Und obwohl er die ersten Jahre meines Lebens tief und fest schlief, wuchs er doch mit mir heran. Und wie Hunde das so an sich haben: sie werden schneller erwachsen als wir Menschen. Bevor ich also überhaupt ahnen konnte, dass ein schwarzer Hund in meinem Leben existiert, war er erwachsen und ich noch immer ein Kind. Ein Kind, schon immer irgendwie anders als die anderen Kinder.
Und die anderen Kinder haben meinen schwarzen Hund unwissentlich immer und immer wieder gefüttert, so dass er bei seinem Erwachen nicht nur erwachsen war, er war auch groß und stark und bereit, mich zu unterwerfen!

Wie sie ihn gefüttert haben? Ein Wort: Mobbing.
In der Grundschule schlugen sie mich teilweise nach dem Sportunterricht mit ihren Turnbeuteln, sie fanden eklig, dass meine Brüste so früh zu wachsen begannen, und meine Größe und Intelligenz gaben einigen von ihnen ebenfalls genug Anlass für Hänseleien und um mich spürbar auszuschließen. Zwar hatte ich in der Grundschule noch ein Gerüst aus Freunden, welches mich trug. Doch waren das eher von den Eltern gemachte Freundschaften und keine davon hielt lange über jene Zeit hinaus,

So war der schwarze Hund gegen Ende meiner Grundschulzeit schließlich stark genug, um zu erwachen und ich wusste lange lange nicht wie mir geschah...

Mittwoch, 5. August 2015

Eine neue Rubrik zieht ein!

Die Black Dog Story.

Diese neue Rubrik befasst sich mit meinen Erfahrungen mit einer Krankheit, die nicht nur mir vor Jahren diagnostiziert wurde, sondern vielen vielen Menschen Tag für Tag diagnostiziert wird: Depressionen.

Ich werde Euch von meinem schwarzen Hund erzählen, ihn Euch vorstellen und gemeinsam mit Euch erfahren, dass mein schwarzer Hund zwar längst nicht mehr allmächtig ist, aber doch noch ganz schön viel zu sagen hat. Und vielleicht lernen wir alle gemeinsam noch ein paar neue Tricks und Kniffe dazu.

Um Euch ein gewisses Vorwissen zu verschaffen, lege ich Euch nun folgende Videos der World Health Organisation, WHO zum Anschauen ans Herz und danach sagen mein schwarzer Hund und ich:

willkommen in unserer kleinen verkorksten Welt, die wir unser Leben nennen!