Montag, 17. August 2015

Black Dog Story

Untergebracht bei meinen Großeltern

Ich wurde also nach meiner Entlassung aus der Klinik von meinen Großeltern mit zu sich genommen. Und ich war im ersten Moment wirklich froh darüber! Bis dahin hatte ich mich, für mein Verständnis, immer gut mit meinen Großeltern verstanden. Meine Großmutter war für mich immer so eine Art Fels in der Brandung gewesen. Gab es Probleme, sprach ich mit ihr darüber. Lag mir etwas auf dem Herzen, war sie meine Ansprechpartnerin gewesen. Mein Großvater war da zwar ein anderer Schnack; mit ihm hatte ich mich jeweils nach der Geburt der zwei Söhne meines Onkels bereits ein wenig verworfen, da die Jungs auf Grund ihres Geschlechts schon mit ihrer Geburt eine höhere Wertigkeit für ihn erhielten als ich es je gekonnt hätte. Aus Eifersucht tat und sagte ich damals also Dinge, die meinen Großvater mir gegenüber extrem auf die Palme brachten. Trotzdem war ich mir unseres Verwürfnisses nie so richtig bewusst geworden. Doch in den nächsten zwei Wochen hatte sich all das komplett ändern sollen.
Unsere Vorstellungen über die Geschwindigkeit meiner Genesung gingen einfach komplett auseinander, genauso wie über meine bereits zurück erlangten Fähigkeiten. Ich hatte die OP auf Grund der psychischen Rahmenbedingungen nicht halb so gut weg gesteckt wie die meisten anderen Menschen es wohl hätten. Deshalb konnte ich einen Einkauf im Großmarkt noch am Tag meiner Entlassung aus dem Krankenhaus kaum durchstehen und musste wie die ganz ganz alten Leute in der dort zur Verfügung gestellten Sitzecke Platz nehmen und mich ausruhen, bis meine Großeltern mich dort nach getanem Einkauf wieder abholten. Punkt 1 der meinem Großvater so gar nicht passte. Und dann war da ja noch mein Gang. Als wir zum Haus meiner Großeltern kamen, watschelte ich eben in meinem vor zwei Tagen erlernten Pinguingang den Weg zum Haus entlang und wurde von den Nachbarn gesehen. Was sollten die denn von mir denken?! Keine Ahnung, vielleicht dass ich drei Tage zuvor eine Rücken-OP hatte und grad überhaupt nicht anders konnte. Aber das war meinen Großeltern sowieso peinlich! Wer wurde denn auch schon mit siebzehn Jahren wegen eines Bandscheibenvorfalles operiert?! Ich!! Aber das ging eben in niemandes Kopf so richtig rein.
Am nächsten Tag fuhren meine Großeltern mich kurz zu meiner Schule, ich sollte meine Krankschreibung für die nächsten drei Wochen abgeben. An sich kein Problem. Die Treppen, welche zwischen dem parkenden Auto, mir und dem Lehrerzimmer hin und zurück lagen, waren da schon eher ein Problem für mich. Zurück half mir glücklicherweise eine Mitschülerin.

Ihr müsst wissen: Der Krankenhausaufenthalt hatte den schwarzen Hund so extrem genährt und mich selbst im selben Atemzug so extrem ausgelaugt, die Tage darauf fühlte sich jeder gelaufene Meter für mich wie ein Halbmarathon an. Abgesehen von jenen kurzen Ausflügen, blieb ich also, solange es nicht gar nicht anders ging, in meinem Bett oder auf dem Sofa meiner Großeltern liegen und schlief halt auch extrem viel. Ich war faul!

Am Montag eine Woche drauf fuhren meine Großeltern mich zu meinem behandelnden Orthopäden, die Klammern sollten entfernt und die Narbe kontrolliert werden. Alles sah so weit gut aus. Ich durfte wieder duschen, solange ich ein Duschpflaster benutzte. Ich war so unendlich froh! Jedoch hatte ich mir im Wartezimmer aus Sicht meiner Großeltern erneut eine unverzeihliche Peinlichkeit geleistet. Wir hatten einige Zeit warten müssen, bis ich ins Behandlungszimmer gebeten wurde und ich hatte die Schmerzen vom Sitzen kaum aushalten können, bis ich zunächst zu weinen begann und im Endeffekt tatsächlich einen nicht gerade leisen Streit mit der Sprechstundenhilfe anfing. Sie verstand meine Ungeduld auf Grund meines schier unerträglichen Schmerzpegels nämlich genauso wenig wie ich die Tatsache verstand, dass man einen Patienten mit so starken Schmerzen so lange warten lies.

Warum ich das so explizit erwähne? Nun, dieser Streit war mir selbst im Endeffekt so unangenehm, dass der schwarze Hund beschloss eine neue Mauer zu errichten. Ich ging bis zu meiner Schwangerschaft kein einziges Mal mehr zu meinem Orthopäden; blieb nach der Bandscheibenoperation und entfernen der Klammern also unbehandelt!

Zwei Wochen hielten meine Großeltern es nach der Operation knapp mit mir aus. Aus der Sicht meines Großvaters war ich viel zu weinerlich, jammernd, faul, unnütz und stellte mich eh nur an. Mein größter Fehler war es in jenem Moment, zu versuchen mit meinem psychischen Zustand zu argumentieren. Mein Großvater und ich gerieten in den größten Streit unserer gemeinsamen Geschichte, welcher seinen Höhepunkt in einer Backpfeife meines Großvaters mir gegenüber fand und dazu führte, dass meine Großmutter darauf bestand, dass mein Vater mich sofort abholte. "So wütend habe ich deinen Großvater in mehr als 50 Jahren Ehe noch nie gesehen.", waren ihre Worte gewesen. Es täte ihr Leid, aber unter diesen Umständen, wäre ihr Mann ihr wichtiger. Keine Ahnung, ob ich je zuvor so verletzt gewesen bin.

Mein Vater holte mich also ab und brachte mich zurück nach Hause, wo meine Mutter mich in Empfang nahm.

Ich ging von einem Ort, welchen mein schwarzer Hund uns als neuen Teil der Hölle erschlossen hatte, zurück in meinen alten Teil der Hölle auf Erden. Wir waren zurück in unserem Zimmer. Und dort blieben wir noch einige Wochen, bis in den November hinein..

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