Freitag, 14. August 2015

Black Dog Story

Nach dem Hochmut kommt der Fall
Entlassen aus der Psychiatrie

Kaum raus aus der Psychiatrie fühlte ich mich also erst recht vom Leben gestraft. Alle hatten immer gepredigt, ich solle mir Hilfe suchen und nachdem ich das nun für eine kurze Zeit getan hatte, wurde ich dafür bestraft. Das rief in mir hauptsächlich eines hervor: den einsamen Wolf. Von da an wurde mir alles egal.

Schulisch erreichte meine Schwänzer-Karriere nun in der 10ten Klasse mit 127 Fehltagen ihren Höhepunkt. In der 11ten Klasse toppte ich das Ganze wiederum durch 11 Fehlkurse im Jahresabschlusszeugnis. Natürlich war mir nun die Ehrenrunde sicher.
Anstatt morgens im Unterricht zu erscheinen, ging ich einen Kaffee trinken, kaufte mir Zigaretten, fuhr in die Stadt, verkaufte dort auf der Straße von mir gezeichnete Bilder, machte bis zu 11€ am Tag und ging mir davon Bier kaufen, welches ich am Wasser trank. Man könnte also behaupten, ich umging meinen Hausarrest, indem ich meine Schulzeit aus meiner Sicht sinnvoll nutzte. So fand man mich zum Weihnachtsmarkt zB um 10 Uhr morgens keineswegs im Klassenraum sondern Glühwein trinkend in der Stadt vor. Ging ich doch einmal zur Schule, hatte ich nicht selten vorher wenigstens ein bisschen Alkohol in meinen Blutkreislauf gebracht und kam eigentlich immer erheblich zu spät in den Unterricht. Auf Grund meiner weiterhin anhaltenden Rückenschmerzen, welche schließlich als doppelt angelegter lumbaler Bandscheibenvorfall identifiziert wurden und eben nicht als geklemmter Nerv, erhielt ich dauerhaften Zugang zu starken Schmerzmitteln. War also kein Alkohol zur Hand, waren die Schmerzen enorm und sah ich mich irgendwie gedrängt, zur Schule zu gehen, so warf ich mir nicht selten eine nicht ungefährliche Menge jener Schmerztabletten ein und war in der Schule wie auf Droge. Bzw ich war auf Droge.

Der Alkohol und die Schmerztabletten betäubten alles in mir. Doch der schwarze Hund war fleißig am Flüstern und er flüsterte mir immer wieder zu: "Dir geht es gut. Dein Leben läuft grad richtig geil! Merkst Du, wie viel Spaß wir gerade haben? Scheiß auf die Schule und das Gerede der Leute. Uns geht es toll!"

Zu jener Zeit kam mir dann auch die fixe Idee, Friseurin werden zu wollen. Ich bewarb mich und wurde trotz meiner enormen Fehlzeiten zum Vorstellungsgespräch geladen, welches ich ebenfalls mit Bravur meisterte. Den Kreativitätstest bestand ich genauso problemlos und so wurde ich für die Ausbildung akzeptiert und ins Praktikum aufgenommen. Ich war stolz wie sonstwas! Endlich würde ich etwas machen, was ich wirklich wollte. Meinen Traumberuf ausüben. Davon war ich nun fest überzeugt. Und ich hatte mir das ganz alleine erarbeitet!
Warum ich dann heute keine Friseurin bin? Nun, ich war Siebzehn, also noch nicht volljährig und somit sieht das deutsche Gesetz vor, dass ich mir zu jenem Zeitpunkt eine Ausbildung noch ärztlich genehmigen lassen musste. Wie das geendet ist, könnt Ihr Euch wohl denken. Unter Tränen war ich im Arztzimmer zusammengebrochen. Ich hatte gebettelt, gewinselt und gefleht. Doch mir stand der schwerste Gang bevor. Der Gang zu meinem eigentlich zukünftigen Arbeitgeber mit dem niederschmetternden Attest meines Arztes und einem von meinen Eltern in Folge natürlich nicht unterschriebenen Ausbildungsvertrag. Mir wird heut noch wieder ganz anders in der Magengegend, wenn ich daran denke und ich muss zugeben: seitdem und bis zum heutigen Tag bin ich vollkommen ratlos, was ich beruflich eigentlich machen möchte. Nichts spricht mich mehr an und alles ist irgendwie einfach nur noch schei*e.
Da ich in der Schule nichts von alledem erzählt hatte, konnte ich zum Glück das Gymnasium ganz normal weiter besuchen. So normal wie oben geschildert halt.

Zu jener Zeit war ich der festen Überzeugung, mein Leben würde wohl niemals bessere Tage erleben. Und mein Bandscheibenvorfall trug seinen Teil bei. Bis ich eines Morgens im September 2010 erwachte und meinen rechten Fuß nicht mehr spüren konnte...

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