Dienstag, 1. September 2015

Black Dog Story

Depressiv oder doch nur so ein oller Pessimist?

Zusammenfassend neigt man dazu, nachdem all diese Dinge, über welche Ihr in den vergangenen 18 Blogposts gelesen habt, passiert sind, zu sagen: mein Leben ist schei*e, warum tue ich mir den Mist eigentlich noch an?! Und ich sage und denke diesen Satz häufiger als es für irgendeinen Menschen gesund sein könnte. Doch immer folgten gute Dinge auf all die schlechten Momente, Erfahrungen und Geschehnisse. Ob ich sie sehen konnte oder nicht, seie dabei erst einmal außen vor gestellt. Aber es gab die guten Phasen! Und wenn die guten Phasen noch so kurz sind, sie sind viel viel viel wertvoller als all die schlechten Phasen es je für einen werden dürfen.

Durch meine Depressionen neige ich dazu, bei allem zunächst nur das Negative zu sehen. Und gibt es nichts Negatives zu sehen, dann rede ich mir notfalls auch einfach so lange Negatives zu einem bestimmten Thema ein, bis es für mich real existent und sichtbar wird. Das macht diese Krankheit im ganz großen Stil mit mir. Und sie macht es so, dass es auf andere alles völlig bewusst und von mir kalkuliert wirkt, ich selbst es allerdings meist nicht oder, wenn überhaupt, erst viel zu spät bemerke. Daher wirke ich auf viele recht pessimistisch und ich streite nicht ab, eine viel zu lange Zeit Pessimist gewesen zu sein. Doch nichts ist schlimmer für meine Gesundheit als Pessimismus.

Viele glauben leider XY ist depressiv, der ist doch bestimmt einfach nur so ein oller Pessimist. Und in einem gewissen Rahmen mag das stimmen. Denn Depressionen machen aus vielen eigentlich sehr optimistischen Charakteren nach außen hin einen ganz ganz schlimmen Pessimisten. Doch leider ist das alles nicht so einfach.

Ich praktiziere nun seit einigen Monaten die Achtsamkeit, eine Lehre aus dem Buddhismus, die aus meiner bisher gewonnenen Sichtweise darauf bedacht ist, sich des Hier und Jetzt frei von jeder Wertigkeit bewusst zu machen und negative Dinge einfach an der Seele vorbei ziehen zu lassen und Gutes hingegen in sich aufzunehmen und dadurch zu einer Entschleunigung des Bewusstseins führen kann. Einen ausführlicheren Post hierzu werde ich bei Zeiten noch verfassen.

Warum erwähne ich das jetzt? Ich erwähne es, weil die Achtsamkeit mich wieder stärker hat zum Optimisten werden lassen. Ich glaube nun wieder daran, dass Dinge gut für mich und meine Umwelt ausgehen werden. Ich habe eine viel positivere Grundeinstellung zurück erhalten. Ich bin ruhiger geworden und nicht mehr ganz so schnell aus der Ruhe zu bringen. Trotz Depression! Aber, und das ist der springende Punkt, ich war nicht einfach Pessimist und deshalb ging es mir schlecht und mein neu gewonnener Optimismus bedeutet noch lange nicht, dass es mir gut geht. Es ist keine Genesung. Die Krankheit bleibt präsent und genau das zeigt mir selbst eben auch: Depressionen sind eine Krankheit und nicht einfach ausgeprägter Pessimismus, wie viele es so gerne glauben mögen

Meine Grundeinstellung ist inzwischen wieder eine positive und ich praktiziere ganz bewusst eine Lenkung meines Bewusstseins auf alles Positive um mich herum und auf all die positiven Aspekte an jedem Moment, an jedem Ereignis und an jeder Erfahrung. Doch ich bin nicht glücklich. Ich bin nachwievor gefangen in mir selbst und meinem Schmerz und dieser Schwere und meine Seele ist nachwievor in Dunkelheit getaucht. Da komme ich durch Optimismus allein nicht heraus. Und ich schaffe es auch nur schwer, mir diesen Optimismus nach außen hin überhaupt anmerken zu lassen. Ich wirke trotzdem noch oft emotionslos. Ich kann trotzdem kaum länger als wenige Stunden von Positivem für mich zehren. Ich bin noch immer kraftlos und oftmals wie gelähmt. Es kostet mich eine immense Kraft, achtsam zu sein und nicht in alte Denkmuster zurück zu verfallen. Ich bin noch unendlich weit von gesund entfernt.

Das Ganze wiederhole ich so eindringlich, um erneut zu verdeutlichen: Depressionen beeinflussen Pessimismus und können durch Optimismus beeinflusst werden, doch niemals definieren sie sich über diese.

oOoOoOo

Mein Angehörigen-Tipp

Du kennst jemanden mit Depressionen und denkst Dir ganz oft "Komm schon, ist doch alles halb so wild! Sei halt mal ein bisschen weniger pessimistisch, dann sieht die Welt schon wieder ganz anders aus!" ? Es ist völlig okay, so etwas zu denken. Denn die Gedanken sind frei und sollen es auch immer bleiben. Aber bitte bitte bitte, sprich es nicht aus! Mit Depressionen fällt es einem Menschen unfassbar schwer, das Positive in der Welt zu sehen und man fühlt sich nicht selten extrem schuldig für all seine negativen Gedanken, Aussagen und Stimmungen. Es ist unter anderem ein Teufelskreis der Schuldgefühle. Nennst Du also einen Menschen mit Depressionen einen Pessimisten und weisst ihn darauf hin, doch einfach mal positiver an alles heran zu gehen, dann kann das diesen Menschen, so gut Du es auch meinst, extrem verletzen und nur noch tiefer in den Abgrund stoßen. Denn trotz Depressionen weiss man ja, für alle anderen sind die ganzen persönlichen Katastrophen gar nicht so katastrophal. Das muss einem niemand ständig erneut auf's Auge drücken.
Viel wichtiger ist es, so banal eine Sache Dir als Angehörigem auch erscheinen mag, Verständnis für den Erkrankten aufzubringen. Verstehe, dass es dieser Person schlecht geht und sie nicht einfach ein bisschen pessimistisch an den Tag heran geht. Verstehe, dass dieser Mensch nicht alles schlecht macht, um Dich zu ärgern oder Dir den Tag zu vermiesen oder die Laune zu verhageln. Es ist eine Krankheit und wie jeder anderen Krankheit auch, muss man ihr mit Verständnis statt mit Ablehnung begegnen!