Dienstag, 16. Oktober 2018

Black Dog Story.

Der Gang ins Gericht - mit mir selbst.

"Wenn ich eines nicht ausstehen kann, dann sind es diese Leute mit Borderline, die allen scheiß, der bei ihnen schief läuft, auf ihre Krankheit schieben. Nie ist man selbst Schuld, immer ist es die Krankheit. Seht mich an, ich bin krank!"

Das bin ich. Selbst seit gut 10 Jahren mit einer Borderline Persönlichkeitsstörung diagnostiziert und Meisterin der Verdrängung. Ich bin nämlich gar nicht krank, mein Leben ist einfach nur scheiße. Und eine Therapie habe ich gar nicht nötig, ich therapiere mich ja schließlich selbst und komme doch auch voll gut klar im Leben, es liegt ja schließlich nicht an meinem gestörten Verhalten, dass mein Leben so scheiße ist - das ist eben einfach der State of the Art. Eigentlich bin ich in diesem Punkt einfach nur ein riesiges Arschloch. Warum? Wahrscheinlich Neid. Denn obwohl ich schon immer sehr offen mit all meinen Diagnosen umgegangen bin, hat sich in meiner Wahrnehmung nie jemand aus meinem privaten Leben verpflichtet gefühlt, mir so zu helfen, wie ich glaube es bei anderen zu erleben oder auch selbst schon für andere getan habe. Es ist Eifersucht auf das Maß an Hilfe, welches andere erhalten, ohne aber selbst je um Hilfe bitten zu wollen, denn das würde ja bedeuten, ich müsse Schwäche zeigen. Und was ist denn, wenn die Leute merken, dass ich gar nicht so gut mit mir und meinem Leben zurecht komme, wie es immer den Eindruck macht? Die Wahrheit dürfte sein, dass viele längst erkannt haben, was für ein Wrack sich hinter der Fassade versteckt. Denn natürlich rufe auch ich nach Hilfe, manchmal, in den wenigen Momenten in denen das kleine Mädchen, welches ich einst war, zum Vorschein kommt und ruft: "Hallo, könnt ihr mich sehen? Mich gibt es noch. Ich bin bloß so verdammt gut versteckt hinter all diesen Mauern, Fassaden und Schutzwällen und was ihr da draußen erlebt, das bin ja gar nicht ich. Das ist nur eine Version von mir, die seit Jahren krampfhaft versucht, mich vor all dem Schlechten in dieser Welt zu beschützen. Denn mir ist sehr viel schlechtes in dieser Welt geschehen und ich habe diese andere Version von mir erschaffen, um nicht daran zu zerbrechen. Doch nun zerbreche ich daran, weggeschlossen zu sein, denn ich glaube, erst dadurch ist mein Leben so geworden, wie es heute ist - distanziert, mit kaum sozialen Fertigkeiten, verschlossen und einsam. Und ihr lebt nun mit jener Version von mir, die doch eigentlich gar nicht ich bin." Aber wer bin ich denn schon? Eine gepeinigte und geschundene Seele, die sich nicht mehr hinaus traut in die Welt. Oder doch längst die andere? Die kranke Version meiner Seele, die schon so lange diesen Körper beherrscht und sich an ihre Herrschaft klammert als würde ihr Fortgehen das Ende unser beider Existenz bedeuten.

Ja, ich bin zwei und diese zwei kämpfen gegen einander, für einander und mit einander und ich selbst weiß nie so recht, welche ich gerade bin und sein soll. Natürlich bin ich die Seele, die zuerst diesen Körper bewohnt hat, das kleine Mädchen hinter all den Mauern, Fassaden und Schutzwällen. Aber meine Umwelt erlebt in 99,9% der Fälle die kranke, kaputte Seele, welche mich zu schützen sucht. Und so kenne nicht nur ich mich selbst kaum noch, es kennt auch kaum ein anderer, was in mir drin versteckt ist. Nur wenige haben mich in wenigen kurzen, befreiten, glücklichen Momenten schon als mich selbst erlebt. Und diejenigen, bei denen ich mich sicher genug gefühlt habe, ich selbst zu sein, sind längst verstorben.

Ihr ahnt gar nicht, wie sehr ich mir meinen verstorbenen Großvater zurück an meine Seite sehne. Jeden verdammten Tag. Jedes Jahr. An jedem meiner Geburtstage. Und an letzteren immer nochmal mehr als an jedem anderen Tag. Ohne ihn habe ich meinen Halt in dieser Welt verloren und ich kann nur erahnen, wie schlimm es für Teile meiner Familie gewesen sein muss, mir dabei zuzusehen wie ich mich selbst verloren habe und zu dem geworden bin, was noch immer mein Leben und meinen Alltag bestimmt. Andererseits konnte meine Familie mich auch gar nicht schnell genug aufgeben und meiner eigenen Dunkelheit überlassen. Es gab nicht einen Versuch, mich zu halten und zu verhindern, was mit mir in den Folgejahren geschah. Ich wurde im Gegenteil immer tiefer in die Misere gedrängt und verlor so durch den Verlust meines Urvertrauens in meine Familie das Vertrauen in jegliche Menschen um mich herum. Ich kann nicht glauben, dass jemand mich wirklich mögen könnte, kann nicht glauben, dass mich jemand lieben könnte, kann nicht glauben, dass mir jemand helfen wollen könnte, kann nicht glauben, dass Freundschaft auch für mich real sein kann. Deswegen halte ich die Menschen um mich herum stets auf Distanz. Und bin am Ende dennoch erschüttert wie einsam ich dadurch werde. Es hat sich nämlich eine Art Erwartungshaltung gebildet. "Nehmt mich wie ich bin und lebt damit, dass ihr mir völlig egal seid, ich es euch jedoch nicht sein will." Welch paradoxe Scheiße. Und welch ein Kampf für meine Angehörigen. Denn wie soll man das ertragen? Ständige Zurückweisung, kaum mal ein liebes Wort, kaum Anerkennung für das, was man alles für mich leistet und 99,9% der gemeinsamen Zeit auch noch der ständige Vorwurf, dass man eh früher oder später gehen werde. So entsteht nichts, was von Dauer ist. Ich tue den Menschen in meinem näheren Umfeld nicht gut. Und es ist gut, dass sie früher oder später ihre Reißleine ziehen und das sinkende Schiff verlassen. Ich mache es niemandem leicht. Erst recht, weil ich nie so offen rede, wie ich es hier nun schreibe. Denn reden liegt mir nicht. In Gesprächen fühle ich mich schnell verwundbar und dann passiert etwas ganz schreckliches mit mir: ich bin dann nicht mehr ich selbst und im schlimmsten Fall tritt eine noch viel düstere Version von mir hervor, die Dinge sagt, die ich nie im Leben so jemandem an den Kopf werfen würde und doch geschieht es und ich kann es in diesen Momenten nicht verhindern und im aller schlimmsten Fall fehlt mir im Nachhinein jegliche Erinnerung an das Gesagte. So kommt es, dass ich irgendwann angefangen habe, Gespräche zu vermeiden. Ich führe lediglich oberflächlichen Smalltalk, rede ungern in Gruppen, bin lieber ruhig, höre zu - dann kann ich nichts kaputt machen. Mich regiert die Angst. Die Angst davor, zurückgewiesen zu werden, sobald die Leute wissen, was wirklich in mir vorgeht.

Ich behaupte, offen und ehrlich mit meiner Krankheit umzugehen und tue doch genau das Gegenteil indem ich so tue als sei das alles gar nicht mehr dominant in meinem Leben. Doch das ist es. Jeden Tag.

Ich gehe zur Arbeit und denke mir: "Ich mag diese Menschen. Ich habe es echt gut getroffen mit meinen Kollegen." Und ich schätze diese Menschen, betone immer, wie wertvoll es ist, einen Arbeitsplatz zu haben, an dem man nicht nur mit Kollegen, sondern mit Freunden arbeitet. Und ich meine das auch so. Ich mag meine Arbeitskollegen.
Aber ich hasse sie auch. Wenn sie ein Lob erhalten, welches ich nicht erhalte. Wenn sie Aufgaben erfüllen dürfen, die man mich nicht erfüllen lässt. Wenn ich das Gefühl bekomme, sie stünden meinen Ambitionen im Weg. Und dann werde ich leise und um mich herum bildet sich diese düstere Aura und plötzlich werde ich lauter, provokativer, weniger freundlich. Dann blitzt diese Seite von mir durch, die ich gar nicht leiden kann. Die andere, die schlimme.
Tatsächlich bin ich über jeden Tag froh, den ich es schaffe, mir nicht auf Arbeit alles kaputt zu machen und mich zum absoluten Außenseiter zu katapultieren und ich fürchte, es gibt inzwischen Leute, die etwas ahnen, die vielleicht sogar wissen, dass ich nicht immer so ganz ich selbst bin und die merken, wie viel Kraft mich das alles inzwischen kostet. Und das macht mir Angst. Große Angst sogar. Solch eine Angst, dass ich schon überlege zu kündigen.

Auch meine Entscheidung zur Glatze war keinesfalls die mutige Art von Entscheidung, als welche viele sie interpretiert haben. Es war eine Entscheidung aus Angst. Aus Angst vor dem, was eine Krankheit und die damit einhergehende Medikation mit mir machen würden. Es war eine Angsthandlung getarnt als Selbstbestimmtheit. Und was habe ich nun davon? Kurze Haare, mit denen ich mich nicht wirklich dauerhaft wohlfühlen kann und scheinbar überhaupt keine Krankheit oder aber wenigstens nicht die damit einhergehend angedrohte Medikation. Somit habe ich nichts anderes getan als meinem altbekannten Muster des Duckmäusertums zu folgen und mich selbst in eine Unglückssituation zu führen aus der nur Zeit und Geduld mich wieder hinausführen können, zwei Dinge von denen ich glaube, sie nicht zu haben, was wiederum zu unglaublichem Stress führt. Und anstatt zu lernen, mich selbst zu lieben ohne mich hinter einem Wall aus Haaren verstecken zu können, wünsche ich mir schon jetzt nichts sehnlicher als meine langen Haare zurück. Den Pony im Gesicht, die Maske drum herum. Ich möchte mich wieder verstecken können. Bereue den Schritt ins Rampenlicht, für welchen ich mich stark genug gefühlt hatte. Ich wünsche mir meine Unsichtbarkeit und Unscheinbarkeit zurück. Kann es kaum erwarten, dass die Leute wieder aufhören, mir Aufmerksamkeit zu schenken. Mir sind diese Fehldiagnose der Ärzte und meine damit einher gegangenen Fehlentscheidungen so unfassbar unangenehm und peinlich. Ich bin nicht stark. Ich kann nicht gut mit den Geschehnissen der letzten Wochen und Monate umgehen. Ich will an der Uhr drehen und alles ungeschehen machen.

Auch den Brief, welchen ich meinem Exfreund nach der Trennung schrieb, die Zettel mit Liebesbotschaften an ihn, welche ich in meinem Bett verbrannte, ich würde diese Dinge gern ungeschehen machen. Ich habe ihm Dinge an den Kopf geworfen, die sind in Wut in mir entstanden. Ich habe ihm erst geschrieben, dass ich ihn liebe, als er sich längst gegen mich entschieden hatte. Anstatt es ihm schon Monate zuvor gesagt zu haben, als ich anfing diese Gefühle zu verspüren. Doch ich wollte nichts sagen, konnte nichts sagen. Hatte Angst. Angst vor Zurückweisung, vor der Möglichkeit er könne diese Gefühle eventuell nicht erwidern und habe wahrscheinlich genau damit dazu beigetragen, dass er sich nicht von mir geliebt und wertgeschätzt gefühlt hat, sondern eher wie ein willkürlicher Wegbegleiter. Dabei war ich dumm genug zu glauben, er hatte genau das auch nur sein wollen. Und so habe ich einen Menschen verloren, für den meine Gefühle nun schon länger anhalten als es unsere Beziehung überhaupt gegeben hat. Wir sind am 20ten März diese Beziehung eingegangen, haben uns am 20ten Juni getrennt und selbst jetzt, so kurz vor dem 20ten Oktober, gibt es keinen Tag, an dem ich nicht an diesen Menschen denke, an seinen Sohn, an unsere gemeinsame Zeit, an alles, was wir mit einander hatten, was wir noch für die Zukunft geplant hatten. Es lässt mich nicht los und ich merke immer deutlicher: ihm gegenüber hatte ich mich, ganz ohne es zu merken, geöffnet. Er hatte diese Wirkung auf mich. Ich war ihm gegenüber immer ehrlich, habe offen mit ihm geredet, jeden Abend vor dem Schlafen gehen haben wir uns darüber unterhalten, wie es uns geht, haben uns fast täglich gesehen, vor ihm konnte ich lachen und weinen, ihm konnte ich mein Leben zeigen, wie es wirklich ist. Wie wertvoll das alles für mich war, habe ich leider erst erkannt, als es schon zu spät war und ich mit dreister Selbstverständlichkeit davon ausgegangen war, dass dieser Mensch es mit mir und meinen Marotten schon aushalten würde.

Wie oft ich meine Freunde, oder Menschen, die mir doch so wichtig sind, dass ich sie gern als solche bezeichnen würde, durch eine eher desinteressierte und abweisende, jedoch keineswegs als solche gemeinte Haltung vor den Kopf stoße und von mir fern halte, möchte ich lieber gar nicht wissen. Es gibt so viele liebe Menschen in meinem Umfeld, mit denen ich mich so gern locker und ungezwungen unterhalten können würde, die ich seit Jahren zwar von Nahem erlebe und doch aus einer solchen Entfernung betrachte, als wären sie Schauspieler in einem Film, den ich mir anschaue. Und wie oft würde ich gerne einfach sagen: "Es tut mir leid, dass ich so bin. Ich wäre gern mit Dir befreundet, Du bist echt nett", doch bestenfalls bringe ich ein unbeholfenes "Hallo" heraus. Wenn ich mich das denn überhaupt traue, denn in der Regel gehe ich ja davon aus, dass Menschen mich zum einen gar nicht wieder erkennen und zum anderen ganz sicher auch überhaupt nicht mögen. Doch wie sollen die Leute das wissen, wenn ich doch nicht einmal eine anständige Begrüßung zustande bringe. Verzwickterweise wird das Ganze tendenziell sogar verstärkt, je lieber mir eine Person ist. Schweigen und aus der Ferne ab und zu mal anschauen, zu dumm einfach mal "Moin, was geht?" zu sagen, heißt also eigentlich: "Hey, Du, ich mag Dich." Total bekloppt! Und vor allem rückt es mich in ein arrogantes Arschloch Licht, in welches ich eigentlich gar nicht gehöre. Stattdessen sollte über meinem Kopf eine Leuchtreklame erscheinen mit dem Schlagwort "Überforderung", gerne auch ergänzt zu "maßlose Überforderung". Eine Hürde, die sich mir übrigens nicht nur beim realen auf einander Treffen stellt. Kommunikation über Social Media überfordert mich genauso. Um ehrlich zu sein, führe ich in WhatsApp oder anderen Messengern nie mehr als zwei Chats zugleich und schickt mir jemand ein Selfie, möchte ich mein Handy vor Scham an die nächstgelegene Wand werfen. Mein Gegenüber zu sehen und sei es nur auf einem Foto, konfrontiert mich mit dessen realer Existenz und der Aussicht, diesem Individuum möglicherweise auch real begegnen zu können und das jagt sofort einen Schub von Panik durch meinen Körper und ich überlege mir binnen Sekunden 1000 Gründe, warum das eh niemals eintreffen kann und wird.
Auf diese Weise vernachlässige ich jedoch Kontakte, die mir eigentlich sehr sehr lieb und teuer sind. Ich traue mich jedoch auch nicht, mich bei den Leuten zu melden. Ich könnte ja bei irgendetwas stören oder der Kontakt schon längst nicht mehr erwünscht sein. Und das stimmt mich dann wiederum ängstlich und natürlich zugleich auch traurig. Natürlich verlieren meine Gesprächspartner, aber auch meine Freunde jedoch irgendwann die Muße, sich ständig einseitig um den Kontakt zu bemühen und so entsteht meinerseits früher oder später eine selbst erfüllende Prophezeiung. Was verständlicherweise ganz schön scheiße ist, da sich dadurch meine Erfahrenswelt nicht ins Positive ändert sondern in ihrem negativen Status verweilt.

Das schlimmste ist jedoch, dass hinter all dem keinerlei Absicht meinerseits steht. Warum das schlimm ist? Ganz einfach: würde ich mit Absicht oder vorsätzlich diese ganzen Verhaltensmuster an den Tag legen, diese also bewusst erleben, könnte ich mich ganz einfach dagegen entscheiden. Ich bin ein destruktives Arschloch, das ist doof, okay, ich ändere das. Da ich all diese Dinge aber eben doch eher unbewusst durchlebe und erst im Nachhinein, so wie jetzt, in der Lage bin, das Erlebte zu reflektieren, weiß ich, ich werde immer wieder in diese Situationen geraten und in ähnliche Verhaltensmuster verfallen. Ich werde also auch weiterhin kaum an mich selbst denken und daran, was mir gut tun mag, aus Angst heraus handeln, mir wünschen, ich wäre unsichtbar für die Welt. Das passiert mir einfach. Als würde jemand anderes die Fäden ziehen. Ich bin verhaltensgestört. Ich bin krank. Ich bin bloß nicht bereit, mir helfen zu lassen, obwohl Hilfe das ist, was ich wohl dringlichst benötige.

Immer wieder sage ich den Leuten: "Ich würde ja in eine Klinik gehen und mir helfen lassen, doch wer bezahlt mir das und wer zahlt meine Miete, wer versorgt mir meinen Kater?" und plötzlich ist das mit der Hilfe alles gar nicht mehr so dringlich und eher eine Angelegenheit für "wenn es denn mal passt", denn die passenden Antworten hat niemand mal eben so parat. Woher denn auch? Und eigentlich funktioniert mein Leben ja auch. Es ist halt scheiße. Das ist der State of the Art. Dagegen muss man nicht vorgehen. Also zumindest nicht unbedingt und zwingend und auf gar keinen Fall dringend.

Und so bleibt es State of the Art, dass ich destruktives Verhalten an den Tag lege, oftmals gar nicht ich selbst bin, schlimme Dinge sage und unfähig bin, soziale Kontakte in einem gesunden Maß zu pflegen. Eines hat sich mit diesem Text nun jedoch geändert: Ihr, meine Leser, kennt nun diesen Teil meiner Seele.


Another Demon Story

Verwirrung. Schwebe.
Was passiert denn nun eigentlich mit mir?

In den letzen Wochen wusste ich ehrlich gesagt gar nicht, wo ich stehe und wie ich das Ganze auch noch kommunizieren sollte. Ich hatte meinen zweiten Termin beim Rheumatologen und war an jenem Morgen auf alles gefasst, nur nicht auf das, was dann kam: "Ihre Werte weisen in keiner Form mehr auf eine Rheumatoide Arthritis hin, jedoch bin ich höchst interessiert an Ihren dauerhaften Schmerzsymptomen, die Sie ja nun schon über Jahre zeigen." Ich war verwirrt. Wie jetzt, keinerlei Hinweise auf eine Rheumatoide Arthritis? Meine Werte waren doch so "alamierend schlecht" und nun sollte mein Blutbild auf einmal wieder wunderbar und ohne jede Auffälligkeiten sein? Das passte für mich alles nicht zusammen. Doch der Arzt lies mir keinen Moment zum Berappeln und meine Gedanken sortieren. "Ich gehe viel mehr von einer Fibromyalgie aus", hörte ich ihn sagen. Moment. Stop. Nein. Den Dreck kenne ich von meiner Mutter nur allzu gut. In meinem Kopf hat sich alles gedreht. Erst Rheumatoide Arthritis, dann doch nicht, dann Fibromyalgie. Was denn nun? Nächsten Monat bin ich dann wieder einfach nur zu dumm zum Sport machen, wie damals, als ich wegen plötzlich auftretenden und unerklärlichen Muskelschwunds im Krankenhaus war und es danach, als mein Blut nach wenigen Wochen keinerlei Auffälligkeiten mehr zeigte, hieß, ich müsse wohl einfach beim Training übertrieben haben? Ob den Ärzten eigentlich bewusst ist, was sie mit solch schwammigen und schwankenden Diagnosen bei manchen Leuten auslösen? Ich fürchte nicht. Wieso auch? Sie haben ihr Fachgebiet und damit ist gut und wenn es damit nicht getan ist, ist der Arzt das Problem aka den Patienten eben wieder los. Ist ja auch verständlich, der Fachärztemangel macht es den Ärzten inzwischen schier unmöglich sich auch um die unklaren Fälle zu kümmern.

Mir hat das Ganze extrem den Kampfgeist genommen. Klar zum einen bin ich höllisch erleichtert, nun doch keine Medikamente nehmen zu müssen. Zum anderen aber fühle ich mich total verarscht und im Stich gelassen. Sollte ich "nur" an Fibromyalgie erkrankt sein, so wird der Rheumatologe mich nämlich nicht weiter behandeln. Stattdessen solle ich mich selbst behandeln mit Hilfe von Ruhe, Yoga und am besten einer Verhaltenstherapie. Wow. Welch ein Schlag ins Gesicht! Ich werde also weiterhin mit fast täglichen Schmerzen leben müssen, mir wird da bloß niemand helfen, außer eventuell einem Therapeuten, Yoga und Ruhe. Leider ist das alles andere als zufriedenstellend und ich merke, dass ich mich wieder habe fallen lassen in das dunkle Loch, aus dem ich einst kam. Fort ist jeder Kampfgeist, jede Motivation meinen Körper in eine fittere Form zu bringen, jeder Glaube daran jemals irgendetwas an meinem beschissenen Leben ändern zu können.

So dumm das klingt: zu wissen, da ist nun eine Krankheit, der ich mich aktiv, aber mit Hilfe, stellen muss, hat mich unfassbar motiviert und angetrieben. Doch nun ist wieder alles beim Alten. Ich bin die kleine, dicke, Akne geplagte, depressive Verrückte mit Borderline Persönlichkeitsstörung, ohne Sozialkompetenzen und Hoffnung.

Ich denke, wir sehen uns schon bald wieder, diesmal jedoch in der Black Dog Story.



I'm sorry, I've given up again...