Dienstag, 16. Oktober 2018

Black Dog Story.

Der Gang ins Gericht - mit mir selbst.

"Wenn ich eines nicht ausstehen kann, dann sind es diese Leute mit Borderline, die allen scheiß, der bei ihnen schief läuft, auf ihre Krankheit schieben. Nie ist man selbst Schuld, immer ist es die Krankheit. Seht mich an, ich bin krank!"

Das bin ich. Selbst seit gut 10 Jahren mit einer Borderline Persönlichkeitsstörung diagnostiziert und Meisterin der Verdrängung. Ich bin nämlich gar nicht krank, mein Leben ist einfach nur scheiße. Und eine Therapie habe ich gar nicht nötig, ich therapiere mich ja schließlich selbst und komme doch auch voll gut klar im Leben, es liegt ja schließlich nicht an meinem gestörten Verhalten, dass mein Leben so scheiße ist - das ist eben einfach der State of the Art. Eigentlich bin ich in diesem Punkt einfach nur ein riesiges Arschloch. Warum? Wahrscheinlich Neid. Denn obwohl ich schon immer sehr offen mit all meinen Diagnosen umgegangen bin, hat sich in meiner Wahrnehmung nie jemand aus meinem privaten Leben verpflichtet gefühlt, mir so zu helfen, wie ich glaube es bei anderen zu erleben oder auch selbst schon für andere getan habe. Es ist Eifersucht auf das Maß an Hilfe, welches andere erhalten, ohne aber selbst je um Hilfe bitten zu wollen, denn das würde ja bedeuten, ich müsse Schwäche zeigen. Und was ist denn, wenn die Leute merken, dass ich gar nicht so gut mit mir und meinem Leben zurecht komme, wie es immer den Eindruck macht? Die Wahrheit dürfte sein, dass viele längst erkannt haben, was für ein Wrack sich hinter der Fassade versteckt. Denn natürlich rufe auch ich nach Hilfe, manchmal, in den wenigen Momenten in denen das kleine Mädchen, welches ich einst war, zum Vorschein kommt und ruft: "Hallo, könnt ihr mich sehen? Mich gibt es noch. Ich bin bloß so verdammt gut versteckt hinter all diesen Mauern, Fassaden und Schutzwällen und was ihr da draußen erlebt, das bin ja gar nicht ich. Das ist nur eine Version von mir, die seit Jahren krampfhaft versucht, mich vor all dem Schlechten in dieser Welt zu beschützen. Denn mir ist sehr viel schlechtes in dieser Welt geschehen und ich habe diese andere Version von mir erschaffen, um nicht daran zu zerbrechen. Doch nun zerbreche ich daran, weggeschlossen zu sein, denn ich glaube, erst dadurch ist mein Leben so geworden, wie es heute ist - distanziert, mit kaum sozialen Fertigkeiten, verschlossen und einsam. Und ihr lebt nun mit jener Version von mir, die doch eigentlich gar nicht ich bin." Aber wer bin ich denn schon? Eine gepeinigte und geschundene Seele, die sich nicht mehr hinaus traut in die Welt. Oder doch längst die andere? Die kranke Version meiner Seele, die schon so lange diesen Körper beherrscht und sich an ihre Herrschaft klammert als würde ihr Fortgehen das Ende unser beider Existenz bedeuten.

Ja, ich bin zwei und diese zwei kämpfen gegen einander, für einander und mit einander und ich selbst weiß nie so recht, welche ich gerade bin und sein soll. Natürlich bin ich die Seele, die zuerst diesen Körper bewohnt hat, das kleine Mädchen hinter all den Mauern, Fassaden und Schutzwällen. Aber meine Umwelt erlebt in 99,9% der Fälle die kranke, kaputte Seele, welche mich zu schützen sucht. Und so kenne nicht nur ich mich selbst kaum noch, es kennt auch kaum ein anderer, was in mir drin versteckt ist. Nur wenige haben mich in wenigen kurzen, befreiten, glücklichen Momenten schon als mich selbst erlebt. Und diejenigen, bei denen ich mich sicher genug gefühlt habe, ich selbst zu sein, sind längst verstorben.

Ihr ahnt gar nicht, wie sehr ich mir meinen verstorbenen Großvater zurück an meine Seite sehne. Jeden verdammten Tag. Jedes Jahr. An jedem meiner Geburtstage. Und an letzteren immer nochmal mehr als an jedem anderen Tag. Ohne ihn habe ich meinen Halt in dieser Welt verloren und ich kann nur erahnen, wie schlimm es für Teile meiner Familie gewesen sein muss, mir dabei zuzusehen wie ich mich selbst verloren habe und zu dem geworden bin, was noch immer mein Leben und meinen Alltag bestimmt. Andererseits konnte meine Familie mich auch gar nicht schnell genug aufgeben und meiner eigenen Dunkelheit überlassen. Es gab nicht einen Versuch, mich zu halten und zu verhindern, was mit mir in den Folgejahren geschah. Ich wurde im Gegenteil immer tiefer in die Misere gedrängt und verlor so durch den Verlust meines Urvertrauens in meine Familie das Vertrauen in jegliche Menschen um mich herum. Ich kann nicht glauben, dass jemand mich wirklich mögen könnte, kann nicht glauben, dass mich jemand lieben könnte, kann nicht glauben, dass mir jemand helfen wollen könnte, kann nicht glauben, dass Freundschaft auch für mich real sein kann. Deswegen halte ich die Menschen um mich herum stets auf Distanz. Und bin am Ende dennoch erschüttert wie einsam ich dadurch werde. Es hat sich nämlich eine Art Erwartungshaltung gebildet. "Nehmt mich wie ich bin und lebt damit, dass ihr mir völlig egal seid, ich es euch jedoch nicht sein will." Welch paradoxe Scheiße. Und welch ein Kampf für meine Angehörigen. Denn wie soll man das ertragen? Ständige Zurückweisung, kaum mal ein liebes Wort, kaum Anerkennung für das, was man alles für mich leistet und 99,9% der gemeinsamen Zeit auch noch der ständige Vorwurf, dass man eh früher oder später gehen werde. So entsteht nichts, was von Dauer ist. Ich tue den Menschen in meinem näheren Umfeld nicht gut. Und es ist gut, dass sie früher oder später ihre Reißleine ziehen und das sinkende Schiff verlassen. Ich mache es niemandem leicht. Erst recht, weil ich nie so offen rede, wie ich es hier nun schreibe. Denn reden liegt mir nicht. In Gesprächen fühle ich mich schnell verwundbar und dann passiert etwas ganz schreckliches mit mir: ich bin dann nicht mehr ich selbst und im schlimmsten Fall tritt eine noch viel düstere Version von mir hervor, die Dinge sagt, die ich nie im Leben so jemandem an den Kopf werfen würde und doch geschieht es und ich kann es in diesen Momenten nicht verhindern und im aller schlimmsten Fall fehlt mir im Nachhinein jegliche Erinnerung an das Gesagte. So kommt es, dass ich irgendwann angefangen habe, Gespräche zu vermeiden. Ich führe lediglich oberflächlichen Smalltalk, rede ungern in Gruppen, bin lieber ruhig, höre zu - dann kann ich nichts kaputt machen. Mich regiert die Angst. Die Angst davor, zurückgewiesen zu werden, sobald die Leute wissen, was wirklich in mir vorgeht.

Ich behaupte, offen und ehrlich mit meiner Krankheit umzugehen und tue doch genau das Gegenteil indem ich so tue als sei das alles gar nicht mehr dominant in meinem Leben. Doch das ist es. Jeden Tag.

Ich gehe zur Arbeit und denke mir: "Ich mag diese Menschen. Ich habe es echt gut getroffen mit meinen Kollegen." Und ich schätze diese Menschen, betone immer, wie wertvoll es ist, einen Arbeitsplatz zu haben, an dem man nicht nur mit Kollegen, sondern mit Freunden arbeitet. Und ich meine das auch so. Ich mag meine Arbeitskollegen.
Aber ich hasse sie auch. Wenn sie ein Lob erhalten, welches ich nicht erhalte. Wenn sie Aufgaben erfüllen dürfen, die man mich nicht erfüllen lässt. Wenn ich das Gefühl bekomme, sie stünden meinen Ambitionen im Weg. Und dann werde ich leise und um mich herum bildet sich diese düstere Aura und plötzlich werde ich lauter, provokativer, weniger freundlich. Dann blitzt diese Seite von mir durch, die ich gar nicht leiden kann. Die andere, die schlimme.
Tatsächlich bin ich über jeden Tag froh, den ich es schaffe, mir nicht auf Arbeit alles kaputt zu machen und mich zum absoluten Außenseiter zu katapultieren und ich fürchte, es gibt inzwischen Leute, die etwas ahnen, die vielleicht sogar wissen, dass ich nicht immer so ganz ich selbst bin und die merken, wie viel Kraft mich das alles inzwischen kostet. Und das macht mir Angst. Große Angst sogar. Solch eine Angst, dass ich schon überlege zu kündigen.

Auch meine Entscheidung zur Glatze war keinesfalls die mutige Art von Entscheidung, als welche viele sie interpretiert haben. Es war eine Entscheidung aus Angst. Aus Angst vor dem, was eine Krankheit und die damit einhergehende Medikation mit mir machen würden. Es war eine Angsthandlung getarnt als Selbstbestimmtheit. Und was habe ich nun davon? Kurze Haare, mit denen ich mich nicht wirklich dauerhaft wohlfühlen kann und scheinbar überhaupt keine Krankheit oder aber wenigstens nicht die damit einhergehend angedrohte Medikation. Somit habe ich nichts anderes getan als meinem altbekannten Muster des Duckmäusertums zu folgen und mich selbst in eine Unglückssituation zu führen aus der nur Zeit und Geduld mich wieder hinausführen können, zwei Dinge von denen ich glaube, sie nicht zu haben, was wiederum zu unglaublichem Stress führt. Und anstatt zu lernen, mich selbst zu lieben ohne mich hinter einem Wall aus Haaren verstecken zu können, wünsche ich mir schon jetzt nichts sehnlicher als meine langen Haare zurück. Den Pony im Gesicht, die Maske drum herum. Ich möchte mich wieder verstecken können. Bereue den Schritt ins Rampenlicht, für welchen ich mich stark genug gefühlt hatte. Ich wünsche mir meine Unsichtbarkeit und Unscheinbarkeit zurück. Kann es kaum erwarten, dass die Leute wieder aufhören, mir Aufmerksamkeit zu schenken. Mir sind diese Fehldiagnose der Ärzte und meine damit einher gegangenen Fehlentscheidungen so unfassbar unangenehm und peinlich. Ich bin nicht stark. Ich kann nicht gut mit den Geschehnissen der letzten Wochen und Monate umgehen. Ich will an der Uhr drehen und alles ungeschehen machen.

Auch den Brief, welchen ich meinem Exfreund nach der Trennung schrieb, die Zettel mit Liebesbotschaften an ihn, welche ich in meinem Bett verbrannte, ich würde diese Dinge gern ungeschehen machen. Ich habe ihm Dinge an den Kopf geworfen, die sind in Wut in mir entstanden. Ich habe ihm erst geschrieben, dass ich ihn liebe, als er sich längst gegen mich entschieden hatte. Anstatt es ihm schon Monate zuvor gesagt zu haben, als ich anfing diese Gefühle zu verspüren. Doch ich wollte nichts sagen, konnte nichts sagen. Hatte Angst. Angst vor Zurückweisung, vor der Möglichkeit er könne diese Gefühle eventuell nicht erwidern und habe wahrscheinlich genau damit dazu beigetragen, dass er sich nicht von mir geliebt und wertgeschätzt gefühlt hat, sondern eher wie ein willkürlicher Wegbegleiter. Dabei war ich dumm genug zu glauben, er hatte genau das auch nur sein wollen. Und so habe ich einen Menschen verloren, für den meine Gefühle nun schon länger anhalten als es unsere Beziehung überhaupt gegeben hat. Wir sind am 20ten März diese Beziehung eingegangen, haben uns am 20ten Juni getrennt und selbst jetzt, so kurz vor dem 20ten Oktober, gibt es keinen Tag, an dem ich nicht an diesen Menschen denke, an seinen Sohn, an unsere gemeinsame Zeit, an alles, was wir mit einander hatten, was wir noch für die Zukunft geplant hatten. Es lässt mich nicht los und ich merke immer deutlicher: ihm gegenüber hatte ich mich, ganz ohne es zu merken, geöffnet. Er hatte diese Wirkung auf mich. Ich war ihm gegenüber immer ehrlich, habe offen mit ihm geredet, jeden Abend vor dem Schlafen gehen haben wir uns darüber unterhalten, wie es uns geht, haben uns fast täglich gesehen, vor ihm konnte ich lachen und weinen, ihm konnte ich mein Leben zeigen, wie es wirklich ist. Wie wertvoll das alles für mich war, habe ich leider erst erkannt, als es schon zu spät war und ich mit dreister Selbstverständlichkeit davon ausgegangen war, dass dieser Mensch es mit mir und meinen Marotten schon aushalten würde.

Wie oft ich meine Freunde, oder Menschen, die mir doch so wichtig sind, dass ich sie gern als solche bezeichnen würde, durch eine eher desinteressierte und abweisende, jedoch keineswegs als solche gemeinte Haltung vor den Kopf stoße und von mir fern halte, möchte ich lieber gar nicht wissen. Es gibt so viele liebe Menschen in meinem Umfeld, mit denen ich mich so gern locker und ungezwungen unterhalten können würde, die ich seit Jahren zwar von Nahem erlebe und doch aus einer solchen Entfernung betrachte, als wären sie Schauspieler in einem Film, den ich mir anschaue. Und wie oft würde ich gerne einfach sagen: "Es tut mir leid, dass ich so bin. Ich wäre gern mit Dir befreundet, Du bist echt nett", doch bestenfalls bringe ich ein unbeholfenes "Hallo" heraus. Wenn ich mich das denn überhaupt traue, denn in der Regel gehe ich ja davon aus, dass Menschen mich zum einen gar nicht wieder erkennen und zum anderen ganz sicher auch überhaupt nicht mögen. Doch wie sollen die Leute das wissen, wenn ich doch nicht einmal eine anständige Begrüßung zustande bringe. Verzwickterweise wird das Ganze tendenziell sogar verstärkt, je lieber mir eine Person ist. Schweigen und aus der Ferne ab und zu mal anschauen, zu dumm einfach mal "Moin, was geht?" zu sagen, heißt also eigentlich: "Hey, Du, ich mag Dich." Total bekloppt! Und vor allem rückt es mich in ein arrogantes Arschloch Licht, in welches ich eigentlich gar nicht gehöre. Stattdessen sollte über meinem Kopf eine Leuchtreklame erscheinen mit dem Schlagwort "Überforderung", gerne auch ergänzt zu "maßlose Überforderung". Eine Hürde, die sich mir übrigens nicht nur beim realen auf einander Treffen stellt. Kommunikation über Social Media überfordert mich genauso. Um ehrlich zu sein, führe ich in WhatsApp oder anderen Messengern nie mehr als zwei Chats zugleich und schickt mir jemand ein Selfie, möchte ich mein Handy vor Scham an die nächstgelegene Wand werfen. Mein Gegenüber zu sehen und sei es nur auf einem Foto, konfrontiert mich mit dessen realer Existenz und der Aussicht, diesem Individuum möglicherweise auch real begegnen zu können und das jagt sofort einen Schub von Panik durch meinen Körper und ich überlege mir binnen Sekunden 1000 Gründe, warum das eh niemals eintreffen kann und wird.
Auf diese Weise vernachlässige ich jedoch Kontakte, die mir eigentlich sehr sehr lieb und teuer sind. Ich traue mich jedoch auch nicht, mich bei den Leuten zu melden. Ich könnte ja bei irgendetwas stören oder der Kontakt schon längst nicht mehr erwünscht sein. Und das stimmt mich dann wiederum ängstlich und natürlich zugleich auch traurig. Natürlich verlieren meine Gesprächspartner, aber auch meine Freunde jedoch irgendwann die Muße, sich ständig einseitig um den Kontakt zu bemühen und so entsteht meinerseits früher oder später eine selbst erfüllende Prophezeiung. Was verständlicherweise ganz schön scheiße ist, da sich dadurch meine Erfahrenswelt nicht ins Positive ändert sondern in ihrem negativen Status verweilt.

Das schlimmste ist jedoch, dass hinter all dem keinerlei Absicht meinerseits steht. Warum das schlimm ist? Ganz einfach: würde ich mit Absicht oder vorsätzlich diese ganzen Verhaltensmuster an den Tag legen, diese also bewusst erleben, könnte ich mich ganz einfach dagegen entscheiden. Ich bin ein destruktives Arschloch, das ist doof, okay, ich ändere das. Da ich all diese Dinge aber eben doch eher unbewusst durchlebe und erst im Nachhinein, so wie jetzt, in der Lage bin, das Erlebte zu reflektieren, weiß ich, ich werde immer wieder in diese Situationen geraten und in ähnliche Verhaltensmuster verfallen. Ich werde also auch weiterhin kaum an mich selbst denken und daran, was mir gut tun mag, aus Angst heraus handeln, mir wünschen, ich wäre unsichtbar für die Welt. Das passiert mir einfach. Als würde jemand anderes die Fäden ziehen. Ich bin verhaltensgestört. Ich bin krank. Ich bin bloß nicht bereit, mir helfen zu lassen, obwohl Hilfe das ist, was ich wohl dringlichst benötige.

Immer wieder sage ich den Leuten: "Ich würde ja in eine Klinik gehen und mir helfen lassen, doch wer bezahlt mir das und wer zahlt meine Miete, wer versorgt mir meinen Kater?" und plötzlich ist das mit der Hilfe alles gar nicht mehr so dringlich und eher eine Angelegenheit für "wenn es denn mal passt", denn die passenden Antworten hat niemand mal eben so parat. Woher denn auch? Und eigentlich funktioniert mein Leben ja auch. Es ist halt scheiße. Das ist der State of the Art. Dagegen muss man nicht vorgehen. Also zumindest nicht unbedingt und zwingend und auf gar keinen Fall dringend.

Und so bleibt es State of the Art, dass ich destruktives Verhalten an den Tag lege, oftmals gar nicht ich selbst bin, schlimme Dinge sage und unfähig bin, soziale Kontakte in einem gesunden Maß zu pflegen. Eines hat sich mit diesem Text nun jedoch geändert: Ihr, meine Leser, kennt nun diesen Teil meiner Seele.


Another Demon Story

Verwirrung. Schwebe.
Was passiert denn nun eigentlich mit mir?

In den letzen Wochen wusste ich ehrlich gesagt gar nicht, wo ich stehe und wie ich das Ganze auch noch kommunizieren sollte. Ich hatte meinen zweiten Termin beim Rheumatologen und war an jenem Morgen auf alles gefasst, nur nicht auf das, was dann kam: "Ihre Werte weisen in keiner Form mehr auf eine Rheumatoide Arthritis hin, jedoch bin ich höchst interessiert an Ihren dauerhaften Schmerzsymptomen, die Sie ja nun schon über Jahre zeigen." Ich war verwirrt. Wie jetzt, keinerlei Hinweise auf eine Rheumatoide Arthritis? Meine Werte waren doch so "alamierend schlecht" und nun sollte mein Blutbild auf einmal wieder wunderbar und ohne jede Auffälligkeiten sein? Das passte für mich alles nicht zusammen. Doch der Arzt lies mir keinen Moment zum Berappeln und meine Gedanken sortieren. "Ich gehe viel mehr von einer Fibromyalgie aus", hörte ich ihn sagen. Moment. Stop. Nein. Den Dreck kenne ich von meiner Mutter nur allzu gut. In meinem Kopf hat sich alles gedreht. Erst Rheumatoide Arthritis, dann doch nicht, dann Fibromyalgie. Was denn nun? Nächsten Monat bin ich dann wieder einfach nur zu dumm zum Sport machen, wie damals, als ich wegen plötzlich auftretenden und unerklärlichen Muskelschwunds im Krankenhaus war und es danach, als mein Blut nach wenigen Wochen keinerlei Auffälligkeiten mehr zeigte, hieß, ich müsse wohl einfach beim Training übertrieben haben? Ob den Ärzten eigentlich bewusst ist, was sie mit solch schwammigen und schwankenden Diagnosen bei manchen Leuten auslösen? Ich fürchte nicht. Wieso auch? Sie haben ihr Fachgebiet und damit ist gut und wenn es damit nicht getan ist, ist der Arzt das Problem aka den Patienten eben wieder los. Ist ja auch verständlich, der Fachärztemangel macht es den Ärzten inzwischen schier unmöglich sich auch um die unklaren Fälle zu kümmern.

Mir hat das Ganze extrem den Kampfgeist genommen. Klar zum einen bin ich höllisch erleichtert, nun doch keine Medikamente nehmen zu müssen. Zum anderen aber fühle ich mich total verarscht und im Stich gelassen. Sollte ich "nur" an Fibromyalgie erkrankt sein, so wird der Rheumatologe mich nämlich nicht weiter behandeln. Stattdessen solle ich mich selbst behandeln mit Hilfe von Ruhe, Yoga und am besten einer Verhaltenstherapie. Wow. Welch ein Schlag ins Gesicht! Ich werde also weiterhin mit fast täglichen Schmerzen leben müssen, mir wird da bloß niemand helfen, außer eventuell einem Therapeuten, Yoga und Ruhe. Leider ist das alles andere als zufriedenstellend und ich merke, dass ich mich wieder habe fallen lassen in das dunkle Loch, aus dem ich einst kam. Fort ist jeder Kampfgeist, jede Motivation meinen Körper in eine fittere Form zu bringen, jeder Glaube daran jemals irgendetwas an meinem beschissenen Leben ändern zu können.

So dumm das klingt: zu wissen, da ist nun eine Krankheit, der ich mich aktiv, aber mit Hilfe, stellen muss, hat mich unfassbar motiviert und angetrieben. Doch nun ist wieder alles beim Alten. Ich bin die kleine, dicke, Akne geplagte, depressive Verrückte mit Borderline Persönlichkeitsstörung, ohne Sozialkompetenzen und Hoffnung.

Ich denke, wir sehen uns schon bald wieder, diesmal jedoch in der Black Dog Story.



I'm sorry, I've given up again...

Montag, 27. August 2018

Another Demon Story.

Der erste Termin beim Rheumatologen

Kennt Ihr das? Die Aufregung treibt es einem heiß und kalt durch alle Gelenke und der Magen fährt Achterbahn. So ging es mir heute morgen.

Ich hatte meinen ersten Termin beim Rheumatologen.

Ab jetzt wird alles konkreter. Die Behandlung wird konkreter. Die Medikation wird sich demnächst ändern. Irgendwie wird die ganze Sache mit dem Rheuma jetzt nochmal eine Stufe ernster. Und ja, das macht mich verdammt nervös.
Zum Glück ist der Arzt an sich recht nett. Eigenartig zwar, aber damit komme ich schon zurecht. Er fand es jedenfalls sehr positiv, dass ich von mir aus damit begonnen habe, Yoga zu machen. Insgesamt lief der Termin aber, wie viele Ersttermine bei Fachärzten eher wie ein Verhör und er hat es auf eine sehr unterschwellige Art geschafft, mir fast schon ein schlechtes Gewissen zu machen, weil ich mir selbst kaum Ruhe gönne. Er hat mir quasi verboten, mich um andere zu kümmern, er hat mir auch recht eindringlich klar gemacht, dass Stress absolutes Gift für mich ist und war sehr skeptisch, dass ich weiterhin arbeiten gehen möchte - wahrscheinlich hätte er mich diesbezüglich noch weiter zerpflückt, hätte ich mich nicht direkt als Teilzeitkraft geoutet.
Richtig unangenehm wurde es erst bei der Frage, ob ich Hormone einnehmen würde und einen Kinderwunsch besäße. Grundsätzlich gilt für mich zwar: nein, besitze ich nicht mehr wirklich. Das hat jedoch, wie eine Therapeutin, zu der meine Frauenärztin mich schickte, nachdem ich bei ihr das Thema Sterilisation angesprochen hatte vor einigen Monaten, feststellte, bei mir hauptsächlich psychologische Gründe und hängt mit tief verwurzelten Verlustängsten zusammen. Verlust des Kindes, des Erzeugers als Partner, etc pp. Ihr wisst ja. Ist halt nicht einfach, wenn man beides bereits sehr schmerzlich hat erleben müssen. Ein Sternenkind vergisst das Herz nie, genauso wenig wie das ganze Drama mit dem Erzeuger meines Kindes und alles, was er mir und uns über die Jahre angetan hat. Ich habe das notwendige Grundvertrauen in Männer, aber vor allem auch in mich selbst verloren.
Aber zurück zum Thema, denn ich schweife ab. Es ist ein Unterschied, ob ich für mich selbst sage: "Nein, ich besitze keinen Kinderwunsch mehr", was sicher eine eher temporäre und definitiv therapierbare Einstellung ist, oder ob ein Arzt fragt, ob man noch einen Kinderwunsch besäße, da die künftige Medikamentation das wohl arg verkomplizieren würde, wenn nicht sogar unmöglich machen wird. Das ist schon nochmal ein Schlag ins Gesicht gewesen.

Welches Medikament? Methotrexat (MTX). Mein persönliches Albtraummedikament. Ich hätte da so unfassbar gern drauf verzichtet. Aber eigentlich war mir ja längst klar, dass es auf mich zukommen würde. MTX ist ein so genanntes Basistherapeutikum bei Rheumatoider Arthritis und hat wohl zwei hauptsächliche Effekte - einerseits proliferativ, andererseits entzündungshemmend. Außerdem gelte ich nun als Risikopatient für Schlaganfälle und Herzerkrankungen, wogegen das MTX ebenfalls anwirken soll mit einer Senkung der Sterblichkeitsrate um bis zu 70%. Es sind jedoch die möglichen Nebenwirkungen, welche mich beunruhigen. Gut, von der Unfruchtbarkeit weiß ich erst jetzt. Aber von dem Haarausfall und dem möglichen Ausfall von Zähnen und all diesen Scheußlichkeiten wusste ich schon vorher. Ich habe mir schließlich nicht völlig grundlos schon jetzt eine Glatze rasiert - ich fand Selbstbestimmtheit besser als die Möglichkeit, wieder weinend vorm Spiegel zu stehen und mir büschelweise Haare vom Kopf zu holen. Diese Erfahrung habe ich leider zuvor schon einmal mit MTX machen müssen. Und damals war es nur eine kurze Behandlung mit diesem Medikament, nun wird es dauerhaft werden und ja verdammt, das macht mir eine scheiß Angst.

Donnerstag, 9. August 2018

Privatgeplenkel.

Weckt mich bitte auf aus diesem Albtraum

"Hallo ______, Ich hab versucht dich zu erreichen, wahrscheinlich arbeitest du. _____ hatte gestern einen schweren Autounfall, [...]", selten habe ich schlimmere Worte als diese gelesen und lange ist es zum Glück her. Das Herz setzt einige Schläge aus. Jegliche Gedanken kommen zum Stocken. Panik setzt ein. Ein unkontrollierbares Zittern. Angst. Ohnmacht. Verzweiflung. Das kann und darf nicht wahr sein!

Sie hatte gestern Vormittag eigentlich zu mir kommen gewollt. Zum ersten Mal in den knapp 9 Monaten, die wir uns nun kennen. Ich hatte mich schon richtig darauf gefreut, war sogar noch für uns einkaufen gegangen - ein paar Leckereien. Und mir war sehr mulmig zumute, dass ich nichts mehr von ihr hörte. Es ist überhaupt nicht ihre Art, einfach so nicht aufzutauchen.

Aber ich wäre nie auf die Idee gekommen, dass mich eine solche Nachricht erreichen würde. Niemals!

Meine Gedanken gehen noch immer kreuz und quer. Ich weiß überhaupt nicht wohin mit mir und meinen Fragen. Was ist passiert? Wie konnte das passieren? Was für einen Unfall? Gab es noch mehr Verletzte? Gab es, Gott bewahre, Tote? Was zur Hölle war da los? Warum sie?!? Und eigentlich sind all diese Fragen und die Antworten auf ebendiese auch vollkommen egal. Wie geht es weiter? Was kann ich tun? Wie kann ich jetzt wem und wo am besten helfen? Kann ich überhaupt helfen? Das sind die viel drängenderen Fragen. Viel quälender auch, da ich weiß, dass ich aktuell überhaupt gar nichts tun kann außer abzuwarten und froh zu sein, dass mich diese Nachricht überhaupt erreicht hat. Naja, nicht froh. Aber doch zumindest erleichtert. Obwohl die Unwissenheit vor der Ungewissheit geschützt hätte wie ein schützender Schleier. Doch ich will nicht noch mehr Schleier in meinem Leben, will mich nicht weiter vor den unangenehmen Dingen des Lebens verstecken.

Ich bin sehr sehr dankbar, dass ich von diesem Unfall erfahren habe. Ich weiß nun Bescheid und ich weiß, dass sie das beruhigt. Und gerade ist nichts wichtiger, als das sie weiß, dass wir, ihre Freunde und Familie, wissen, dass alles wieder gut wird, damit auch sie daran glauben kann.

Ich wäre jetzt gerade nirgendwo lieber als in diesem Krankenhaus. Nicht weil es etwas an der Situation ändern würde. Sondern weil ich einfach bei ihr sein möchte. Ich möchte nicht, dass sie dort allein sein muss. Ich weiß nur zu gut, wie schlimm es ist, an einem solchen Ort allein zu sein. Aber sicher sind ihre Eltern bei ihr. Wahrscheinlich weicht ihre Mutter ihr nicht von der Seite. Ich hoffe es. Und bald, wenn es ihr besser geht, können ja auch wir, ihre Freunde, dort sein.

Wahrscheinlich wird man mich zwar dort weg schleifen müssen, weil ich freiwillig nicht gehen werde, aber das ist schon okay...
Ich weiß, Du kannst das hier gerade nicht lesen, _____, aber ich habe Dich ganz ganz doll lieb und bin unendlich froh, dass wir uns kennengelernt haben und Freundinnen geworden sind - Du bist eine so wundervolle und inspirierende Person und nirgends schmeckt der 43er mit Milch besser als bei Dir, einfach weil Du dabei bist. Egal, was die nächsten Wochen und Monate und auch Jahre bringen mögen, ich werde für Dich da sein so gut ich kann, denn ich weiß, Du würdest für mich genauso da sein, Du bist es ja auch.

Samstag, 4. August 2018

Another Demon Story

Katzen

Schon als Kind bin ich mit der alten Binsenweisheit groß geworden, dass Katzen bei Rheuma helfen. Ihre Körperwärme wärmt die Gelenke. Ihr Schnurren beruhigt und mildert die Angst. Aber immer wieder haben Leute mir gesagt:  "Katzen, das sind richtige Mistviecher." Warum habe ich nie so ganz verstanden. Mein Instinkt verriet mir schon damals, dass das Problem bei negativen Begegnungen mit Katzen wohl eher der menschliche Part sein müsse. Und ich sollte recht behalten.
Ich lebe nun seit gut einem Jahr mit einem Kater zusammen, Findus. Er ist nicht mein Tier. Er ist mir Mitbewohner und Freund und ich behandle ihn mit allem Respekt. Genau wie er mich auch. Im Grunde kam es in all den Monaten nur 2-3 Mal zu Situationen, in denen ich ihn für ein richtiges Mistvieh hielt. Und auch dafür habe ich mich immer bei ihm entschuldigt. Denn am Ende war es doch dennoch ich, die ihn nicht richtig verstanden hat.

Was ich daraus gelernt habe? Verständnis ist der Schlüssel zu fast allem. Als Mensch neigen wir dazu, selbst immer verstanden werden zu wollen, jedoch nur selten verstehen zu wollen. Wir neigen dazu, nur dann Verständnis aufzubringen, wenn das zu Verstehende sowieso schon in unser Weltbild passt.
Wenn ich erzähle, dass mich gestern aus heiterem Himmel eine Biene gestochen hat und mich das sehr erschrocken und verwundert hat, werden die Meisten dafür Verständnis aufbringen können. Es passt zu ihrer eigenen Empfindungswelt. Erzähle ich nun aber weitergehend, dass es mich sehr traurig macht, dass eine Biene so sinnlos ihr Leben gelassen hat, da ich das Tier weder provoziert, geschweige denn überhaupt bemerkt habe, dann werden viele stutzen. Unverständnis baut sich auf. Bin ich etwa eine dieser Ökotrullas, die als nächstes über Umweltschutz und Bienensterben ausschweifen wird? Das würde nerven, denn es kratzt das eigene Weltbild empfindlich an. Man kann da schließlich nichts machen und es geht einen ja auch eigentlich gar nichts an, irgendwer wird es schon richten, so wie immer eben. Aber wie viele Menschen würden wirklich verstehen, was hinter dieser Aussage steht? Die Trauer, um ein verlorenes Leben. Die Trauer um einen Tod, der erst viel später hätte stattfinden sollen. Das Mitgefühl mit dem Schwarm, weil nun ein vielleicht wichtiges Mitglied fehlt. Das schlechte Gewissen, weil wegen mir ein anderes Leben nun beendet ist. Ich bin viel mehr Hippie, als Ökotrulla. Liebe für alle! Auch für Bienen.

Was hat das Ganze nun wieder mit Katzen zu tun? Wer Katzen nicht mag, der versteht sie einfach nicht. So geht es mir zum Beispiel mit Hunden. Ich verstehe diese Tiere nicht, sie widerstreben mir. Ich mag Hunde nicht lieben. Und ich habe keine Ambitionen das zu ändern. Was das bedeutet? Ich distanziere mich von diesen Geschöpfen, die eigentlich in ihrem Wesen doch auch sehr wundervoll sein dürften. Aber sie zu verstehen, würde mich Mühe kosten, die ich nicht zu investieren bereit bin.

Genauso ist es auch zwischen uns Menschen. Erscheint uns das Verstehen eines anderen zu aufwendig, dann distanzieren wir uns. Es passt dann halt einfach nicht und wir suchen nach dem nächsten, passenderen Individuum. Dass uns dadurch unfassbar viele lehrreiche Erfahrungen entgehen mögen, sehen wir nicht. Wir sehen als Katzenliebhaber nicht, dass den Hund zu verstehen und zu mögen zu beginnen, gar nicht so schwer ist und unser Leben bereichern wird ohne dass
irgendjemand erwarten wird, dass wir als nächstes den Rest unseres Leben in engster Bindung mit einem Hund zusammenleben werden. Aber wir berauben uns selbst nicht länger der Möglichkeit.

Ich möchte anders sein. Ich möchte meine Erkenntnisse nutzen. Ich möchte verstehen, was mir befremdlich erscheint. Möchte verstehen, warum Distanz entsteht. Wo liegt das Unverständnis begraben? War ich es, die etwas so gravierend falsch verstanden hat? Oder hat mein Gegenüber etwas an mir so arg missverstanden, dass nun nur noch Abstand zu helfen scheint? Erst wenn wir Menschen anfangen unsere Missverständnisse genauso offen zu kommunizieren wie unser Verständnis, werden wir wieder anfangen, einander wirklich nah zu sein. Es ist diese spirituelle Nähe, die uns der Einsamkeit berauben kann. Denn gewiss sind nur wenige von uns alleine. Wir haben Freunde, Familie, Menschen mit denen wir körperliche Nähe austauschen.
Aber wir bleiben dennoch einsam.

Mittwoch, 1. August 2018

Another Demon Story

Die wohl seltsamsten drei Wochen meines Lebens

Genau drei Wochen ist es jetzt her, dass ich die Diagnose zur Rheumatoiden Arthritis bekommen habe. Und es ist ein konstantes Auf und Ab. Ich habe gute und schlechte Tage und erinnere mich doch kaum an auch nur einen einzigen davon. Es ist als zöge das Leben an mir vorbei, obwohl ich mich bemühe weiterhin mittendrin zu sein. Aber irgendwie stehe ich doch nur noch neben mir. Ich bin mittendrin und doch nicht dabei. Meine Freunde stehen mir zur Seite, so gut sie können. Meine Arbeitskollegen versuchen mich jeden Tag bestmöglich durch zu bringen. Mir begegnet so viel guter Zuspruch. Oder aber die stille Übereinkunft, den Teufel nicht beim Namen zu nennen, jedoch trotzdem Rücksicht auf seinen Würgegriff zu nehmen. Und so fühlt es sich gerade tatsächlich an. Als hätte sich eine Hand um meinen Hals gelegt, die langsam aber stetig immer fester zu drückt und mit jedem Tag fällt mir das Atmen schwerer. Letzteres ist sicher auch dem heißen, trockenen Wetter in Kombination mit den Cortison Tabletten geschuldet. Da bekommen ja selbst nicht chronisch erkrankte Menschen so ihre Probleme mit der Gesundheit. Mein Kater keucht auch aus dem letzten Loch und hält sich fast nur noch unter meinem Bett auf, weil das scheinbar der kühlste Ort in der Wohnung ist.

Ich merke, dass es mir nicht gut geht, das mein Zustand sich verschlechtert. Ich kann und mag kaum noch feste Nahrung zu mir nehmen, aus "Ich nehme langsam und gesund 5kg in 12 Wochen ab" sind jetzt schon 2kg in 2 Wochen geworden und trotz aller Unterstützung fühle ich mich oft so allein wie sonst selten. Es gibt einfach nur diese eine Hand voll Menschen, die mir wirklich Sicherheit zu geben vermag und die sind entweder hunderte Kilometer entfernt oder haben auch einfach ihr eigenes Leben. Und so pendel ich von der Arbeit in meine schäbige kleine Wohnung und bin froh über jeden Zwischenstopp, den ich mit Freunden einlegen kann. Sei es ein Picknick im Park oder am Strand, ein Konzert in einer anderen Stadt, ein Frühstück im Café oder Wäsche waschen bei einem Freund. Doch nichts davon erreicht mich mehr wirklich. Es ist als hätte sich eine transparente Barriere zwischen mir und der Welt gebildet und nichts kann durchdringen. Fast nichts. Der einzige Mensch, der wirklich durchdringt, zu dem kann ich nicht durchdringen. Es ist wie ein Fluch. Nichts davon erscheint noch fair. Ich wusste, ich würde irgendwann in meinem Leben vor dieser Diagnose stehen. Aber ich hätte nie erwartet, dass es so früh sein würde. Dass ich noch so jung sein würde. Doch vielleicht war es auch absehbar. Mit Sechzehn der doppelte Bandscheibenvorfall, schon zwei fast tödlich verlaufene Nierenbeckenentzündungen, ein seit Jahren ständig geschwächtes Immunsystem, beschissene Ernährung und kaum Bewegung. Was hatte ich denn erwartet, wo mich das hin führen würde? Ins Grab, ziemlich sicher. Bei mir schwingt eben doch in allem immer eine gewisse Todessehnsucht mit. Was nicht bedeutet, dass ich nicht leben will. Es ist keine Suizidgefährdung. Es ist bloß einfach die Sehnsucht nach einem Ende und vielleicht einer neuen, weniger quälenden Existenzstufe.

Wisst Ihr, was ich vermisse? Ich vermisse es, an einer Bar zu arbeiten. Mir fehlen die zahlreichen Begegnungen jedes Wochenende, die Gespräche, die Musik, die Hektik, der Stress. Aber ich traue mir das einfach nicht mehr zu. Ich schaffe es ja kaum, meinen Bürojob zu halten, weil mein Körper gerade nichts aushält. Wie soll ich mich da nebenher noch wieder hinter eine Bar stellen? Aber es fehlt mir so sehr. Mir fehlt das klappern der Schubladen, das Klirren der Bierflaschen, das Shaken der Cocktails, der Lärm der wartenden Gäste. Mir fehlt die Dynamik, die Bewegung. Da das Rheuma jedoch vorrangig meine Füße befallen hat in diesem Schub, kann ich zeitweise kaum laufen und wäre gar nicht in der Lage, die nötige Leistung zu bringen.
Ich hab es kaum jemandem verraten, aber mein Traum war es schon länger, irgendwann eine eigene kleine Bar zu haben mit Bühne oder einen Club, ein kleines Venue für die lokale Musikszene. Aber dieser Traum platzt gerade und das zerreißt mir das Herz. Alleine werde ich das nicht mehr schaffen und ich wüsste niemanden, der das mit mir gemeinsam aufbauen würde. Ich weiß, wen ich mir als Partner wünschen würde, doch das ist utopisch. Alles nur ein Traum, zerbrechlicher als das dünnste Porzellan.

Letzte Nacht ist mir die Haut an der Innenseite meines rechten Fußes aufgeplatzt. Quasi einfach so. Es hat geblutet wie sau, blutet immer noch. Und ich habe geweint. Einfach nur geweint. Das war der Moment, in dem mir alles einfach zu viel geworden ist. Der Moment, in dem ich nur noch gedacht habe: "Ich will das alles nicht!". Und trotzdem weiß ich, dass ich keine andere Wahl habe, als mir nachher die Tränen aus dem Gesicht zu wischen, mich anzuziehen, meine Tasche zu nehmen und zur Arbeit zu gehen... stark bleiben. Aufhören Trost zu suchen, anfangen Trost zu sein. Weiter lächeln. Das Leben ist noch lang.

Dienstag, 17. Juli 2018

Another Demon Story

Heute ist kein guter Tag

Der gestrige Tag war emotional sehr aufwühlend für mich.

Es ging um meinen Sohn und meine Fähigkeiten als Mutter wurden in Frage gestellt, von einem Menschen, dem es nie wirklich um den Lütten ging sondern immer nur um sich selbst, die eigenen Bedürfnisse, Gefühle und Macht über das Kind. Eine Angelegenheit, mit der ich schon immer nur schwerlich umgehen konnte. Denn ich liebe meinen Sohn über alles und wenn es für ihn das Beste wäre, ich würde von einem Hochhaus springen, durch Feuer gehen oder gegen Drachen kämpfen, dann würde ich das ohne mit der Wimper zu zucken machen. Nichts ist mir wertvoller und wichtiger als dieses Kind und seine Seele. Geht es um meinen kleinen Engel, dann werde ich egal, dann wird die Welt egal, dann zählt nur er. Entsprechend verletzt es mich natürlich, wenn mir das Gefühl vermittelt wird, dass das nicht gesehen wird und nicht zählt und dass ein Mensch, der Entscheidungsgewalt - seine Wortwahl - über meinen Sohn anstrebt, sich für geeignet für mein Kind hält. In meinen Augen wird niemand je gut genug für meinen Sohn sein. Auch ich nicht. Mein Sohn ist ein Schatz, der mit keinem Gold der Welt aufzuwiegen ist. Mein Sohn ist mir das einzig heilige in dieser Welt. Er ist mein Antrieb, meine Luft zum atmen. Dank ihm weiß ich, was bedingungslose Liebe ist. Und das ist etwas, was uns niemand jemals nehmen wird. Wir sind Mutter und Kind und seine Seele hat in mir ihren Körper erschaffen, direkt unter meinem Herzen. Ich gebe niemals auf. Ich tue bloß, was für meinen Sohn das Beste ist.

Mich hat der gestrige Tag spirituell und emotional ausgesaugt. Das merke ich heute sehr deutlich. Ich mag kaum essen, ich habe bisher kaum einen Schluck getrunken. Nur heut Morgen zur Tabletteneinnahme. Ich fühle mich heute schwach und ohnmächtig. Gerade zwinge ich mir mit Mühen eine Dose Thunfisch runter und bin kurz davor, den Fisch doch lieber einfach dem Kater zum Fressen hinzustellen. Ehrlich gesagt, habe ich ihm, direkt nachdem ich den letzten Satz getippt habe, meinen Rest verfüttert. Ich fühle mich auch gar nicht gut dabei, Fisch zu essen. Unsere Meere sterben aus, wir überfischen gnadenlos alle Ozeane und ich sitze hier und soll Fisch essen, weil das Omega-3 gut gegen das Rheuma ist? Finde ich kacke. Finde ich extrem kacke gerade. Und das verdirbt mir nur noch mehr den Appetit.

Meine Cortisondosis senkt sich ab heute von 20mg täglich auf 10mg. Ich merke da aber ehrlich gesagt keinen Unterschied. Mein Zehgelenk tut immer noch weh, ich bin nach wie vor müde und schlapp und eigentlich interessiert es mich gerade auch gar nicht.

Hört ihr den schwarzen Hund jaulen? Ich auch. Mistvieh! Sitzt neben mir am Schreibtisch und guckt mich mit großen Augen an, als wolle er mich zum Gassi gehen auffordern. "Sorry, alter Junge", flüstere ich ihm zu, "ich kann mir das jetzt nicht erlauben." Dann versuche ich, mir ein Lächeln abzuringen.

Ich bin froh, dass ich in nicht einmal zwei Stunden auf der Arbeit sitzen und mich mit Kunden rumschlagen werde. Das ist mir heute eine willkommene Ablenkung. Außerdem muss ich mal wieder nen Schlag rein hauen und meine Verkäufe ankurbeln. Kann doch nicht so schwer sein!

Zum Glück sehe ich morgen meinen Sohn. Ich habe nämlich meinen Gleittag für meine Schicht am Samstag und den möchte ich nutzen, um meinen kleinen Bubi zu besuchen und Zeit mit ihm zu verbringen. Das wird sicherlich uns beiden gut tun.

Und nun mache ich mir besser doch nochmal eine Wasserflasche fertig...

Montag, 16. Juli 2018

Another Demon Story

Spazieren gehen
Bis an die Grenzen

Es überkommt mich so ein bis zwei Mal im Jahr dieses Bedürfnis, wandern zu gehen. Für gewöhnlich fahre ich dann an den Nord-Ostsee-Kanal und schaue, wie weit meine Füße mich tragen. Und genau das habe ich gestern auch getan. Einer der Vorteile, wenn man in und um Kiel wohnt ist eben, dass man nie weit vom Wasser entfernt ist.

Wasserfall am alten Eiderkanal
[15.07.2018 14:50 Uhr]
Ich hab mich also gestern gegen Mittag auf den Weg gemacht zum Fähranleger in der Wik, um dann mit der Fähre nach Holtenau überzusetzen. Im Gepäck hatte ich eine Brotdose gefüllt mit meinem Mittag, Curry-Ingwer-Reis, und einem Käsebrötchen sowie Gurke als Zwischenmahlzeit. Meine Wasserflasche jedoch stand gemütlich gekühlt daheim im Kühlschrank, was mich fast dazu gebracht hätte, meinen Ausflug abzubrechen. Dann habe ich jedoch entschieden, dass es schon ein paar Stündchen ohne gehen wird und bin unbeirrt meines Weges gestapft. Auf dem Hinweg habe ich dabei zugegeben auch kaum auf meine Umgebung geachtet. Da ging es mir viel mehr darum, Strecke zu machen und mein Tagesziel zu erreichen: die Levensauer Hochbrücken. Wo ich es auch hin geschafft habe. Mein einziger Zwischenstopp auf dem Hinweg galt der Einnahme meines Mittagessens auf einer Parkbank irgendwo Höhe Knoop. Bis dahin ging es mir auch noch wirklich gut. Klar zwackte und ziepte der Fuß, aber das tut er momentan ja eh. Davon wollte ich mich nicht beirren lassen. Erst als ich mich unter der Levensauer Hochbrücke auf einen Poller setzte, habe ich jedoch bemerkt, wie doll die Schmerzen eigentlich waren. Ich dachte, mir würde der Fuß abfallen und mir grauste es plötzlich, den ganzen Weg noch wieder zurück zu müssen. Besonders, weil das letzte Stück bis zur Fähre nicht aus festem Gehweg sondern Schotterweg besteht und ich keine weiteren Steine in meinen Fuß gedrückt haben wollte. Ich hatte halt auch mal wieder ganz klar das falsche Schuhwerk an. Ich muss mir dringend richtige Wanderstiefel besorgen für solche Ausflüge!

zerbrochenes Ei [15.07.2018 14:24 Uhr]
Nach einer kurzen Pause entschloss ich also, dass alles Jammern nichts nützen würde und ich nun einmal zurück gehen musste, ob das nun angenehm würde oder nicht. Ich aß ein Stück Gurke, zog die Kamera aus meiner Tasche und beschloss, den Rückweg in aller Gemütlichkeit und mit einem Blick fürs Detail anzugehen. Dieses Mal sollte es mir um meine Umgebung gehen, nicht um den Weg, welchen ich zurückzulegen hatte. Eine Methode, die insofern funktioniert hat, als dass ich mich den kompletten Rückweg über sehr gut von meinen Schmerzen hatte ablenken können.

Ich fand ein zerbrochenes Ei am Wegesrand und philosophierte ein bisschen darüber, ob das Küken wohl geschlüpft oder die Beute eines anderen Tieres geworden war. Ich traf auf dem Weg einen kleinen rostfarbenen Frosch und ließ ihn für mich modeln, ehe ich ihn vorsichtig ins nächste Gebüsch geleitete, während ich ihm immer wieder gut zuredete, sich ein wenig zu beeilen, damit kein Fahrrad ihn überfahren konnte. Zum Glück war weit und breit kein Fahrrad in Sicht. Dann stieg ich die Treppen runter zum kleinen Wasserfall am alten Eiderkanal, welchen ich letzten Herbst erstmals entdeckt hatte und bestaunte dessen Schönheit im Sommer. Ich konnte regelrecht sehen, wie kleine Elfen und Feen nachts dort tanzen, versteckt zwischen den Efeublättern und begleitet von der Musik des Wassers.
Der Froschprinz von Knoop
[15.07.2018 14:48 Uhr]
Und ein Stück weiter plumpste plötzlich etwas neben mir ins Gestrüpp. Eine frisch vom
Baum gefallene Mirabelle, wie sich herausstellte. Erst war ich skeptisch, doch dann probierte ich die kleine orangene Frucht und mhmmm, war das köstlich! So schön süß. Ein bisschen wie eine kleine Pflaume mit dem Geschmack eines Pfirsichs. Sehr lecker auf jeden Fall. Und sie Motivierte mich dazu, am Wegesrand in die Bäume zu klettern und weitere Mirabellen zu pflücken. Nur eine Hand voll. Damit ich noch mehr Flüssigkeit zu mir nehmen konnte über die Früchte. Es war verdammt heiß in der Mittagssonne und so langsam bereute ich doch, kein Trinken dabei zu haben. Das Obst war quasi meine willkommene Rettung. Und etwas weiter in Richtung der Holtenauer Hochbrücke moppste ich mir auch noch einen Apfel vom Baum. Wo kein Zaun, da auch kein Hindernis. Ich fühlte mich dadurch wieder richtig jung und frei und es tat gut, einfach mal zu tun, wonach mir der Sinn stand. Zum Beispiel eine riesige blau schimmernde Libelle durch die Binsen zu verfolgen. Leider gelang mir von ihr keine Aufnahme.

Um nun aber den Schotterweg zur Fähre zu umgehen, blieb mir nur ein einziger Plan B: der Aufstieg auf die Holtenauer Hochbrücke. Und den habe ich spätestens auf halber Strecke schon wieder bereut. Das ist einfach eine dieser Sachen, die schon im Winter keinen Spaß gemacht haben, im Sommer bei gefühlt 30°C im Schatten jedoch zur Höllenqual werden, zumal ich ja nun nicht gerade das schlankste Persönchen auf Erden bin, sonst müsste ich jetzt ja nicht abnehmen. Aber wenn man denn erstmal oben ist, ist der Ausblick wirklich einmalig schön!

Der Ausblick von der Holtenauer Hochbrücke. [15.07.2018 15:40 Uhr]

Aber ich wäre ja nicht ich, wenn ich dann am Ende der Hochbrücke brav in den Bus gestiegen wäre, nein. Ich bin noch durch halb Holtenau gewandert, zurück zur Fähre und dann erst von der Wik aus wieder heim gefahren. Warum der Umweg? Ich hatte spontan bei meinen Großeltern klingeln wollen. Dort war jedoch niemand. Ich denke mal, die Herrschaften waren bei der Verwandtschaft, um das WM Finale zu schauen.

Am Ende war ich nach gut fünf Stunden wieder zuhause und unendlich froh, eine Flasche herrlich gekühlten Wassers im Kühlschrank vorzufinden!! Danach hieß es für mich nur noch Füße hoch und einsehen, dass ich langsamer machen muss, für solche Ausflüge geeignetere Schuhe brauche und mir ein neues Handy kaufen muss. Letzteres, da mir meins an der Bushaltestelle runter fiel und das Display nun nicht mehr reagiert. Aber das ist mir egal, genau wie die Schmerzen, die ich hatte.

Gestern war ein wunderschöner Tag.

Sonntag, 15. Juli 2018

Another Demon Story

Ein erstes Resumé 

Als ich am Mittwoch die Diagnose "Rheumatoide Arthritis" erhielt, war das erstmal ein ziemlicher Schlag ins Gesicht. Ich bin den ganzen Tag wie benebelt durch die Gegend gelaufen, hab totale Scheiße gelabert ohne es zu merken und bin regelrecht ausgeflippt. Klar, wer wäre bei einer solchen Diagnose schon cool geblieben? Unterbewusst weiß man eben sofort, dass fortan einiges auf einen zukommen wird. Vor allem, wenn man durch ein doch eher negativ wirkendes Vorbild geprägt ist.

Aber nun ist schon Sonntag und inzwischen halte ich mich eigentlich recht wacker. Ich flippe nicht mehr aus und bin eigentlich wieder wie immer. Wenn man von der anderen Ernährungsweise absieht. Ich frühstücke gerade sogar! Und dass obwohl ich früher so gar nicht der Frühstücksmensch war. Es gibt Joghurt mit Knuspermüsli und Früchten. Heute Ananas, Kiwi, Mango, gestern gab es Erdbeeren zum Joghurt und Müsli. Ich frühstücke also nicht nur, ich frühstücke sogar gesund. Die einzige Herausforderung: drinnen behalten, was gegessen wurde. Denn zwischenzeitig wird mir von der hohen Dosis Cortison so richtig richtig übel. Hoch gekommen ist es mir bisher aber zum Glück erst ein Mal in der Nacht. Man war das eklig! Aber das gehört wohl dazu. Und ich möchte hier nichts beschönigen, was wirklich nicht schön ist. Dafür müsst Ihr euch andere Blogs suchen. Irgendwelche Modeblogs oder so.

Ansonsten zeigt das Cortison bei mir eher seltsame Wirkung, finde ich. An meinem betroffenen Zehgelenk spüre ich zum Beispiel kaum eine Veränderung. Also klar kann ich wieder viel besser laufen als vor dem Cortison und der ganze Fuß ist definitiv abgeschwollen. Aber ich habe trotzdem noch Schmerzen im Fuß - die ganze Zeit. Soll das so? Ich dachte, das Cortison lindert auch die Schmerzen. Und ehrlich gesagt, möchte ich nicht noch Ibuprofen zusätzlich nehmen. Ich glaube nicht, dass das so eine gute Idee wäre. Deshalb versuche ich die Schmerzen auszuhalten und zu ignorieren. Gute Tipps gegen Rheumaschmerzen sind natürlich in den Kommentaren (auch anonym) gern gelesen! Ich bin wie immer für alles dankbar.

Desweiteren scheint das Cortison seltsamerweise mein Hautbild zu verbessern. Ich hatte ja eher erwartet, dass ich schrecklich aufquellen und von Pickeln zerfressen würde, aber zumindest von den Pickeln scheint das Zeug mich eher sogar zu befreien. Oder die werden durch das viele Wasser trinken weniger. Ich hatte mir das jedenfalls ganz anders vorgestellt. Ob ich auf gequollen bin im Gesicht, kann ich nur ganz schwierig beurteilen. Wahrscheinlich passiert das auch erst später? Ich weiß es nicht. Noch finde ich, sehe ich sehr normal aus. Wie immer eigentlich, bloß Pickel freier. Ich könnte fast schon ungeschminkt vor die Tür! Da muss ich kurz lachen. Konnte ich natürlich auch vor dem Cortison schon, mochte ich bloß nie so gern. Das liegt jedoch eher an meinen "Augenringen bis nach Meppen", wie ein lieber Arbeitskollege immer so schön sagt.

Alles in Allem bin ich recht zufrieden damit, wie die letzten Tage abgelaufen sind. Ich habe mich viel schneller gesammelt und beruhigt als erwartet. Das Cortison hat sich bisher als nur halb so schlimm und beängstigend herausgestellt, wie von mir befürchtet. Ich kann mit den Schmerzen auch ohne die Einnahme weiterer Schmerzmittel recht gut umgehen. Und auch die Arbeit habe ich besucht, wie ich sollte und meine Leistung gebracht, so gut es ging. In dem letzten Punkt bin ich aber optimistisch, dass das die kommende Woche auch alles wieder viel viel besser wird. Ich glaube, ich werde meinen Job behalten können. Und als Kirsche auf dem Sahnehäubchen habe ich gestern meinen Urlaub für den August endlich konkret geplant - das werden wundervolle Tage!

Mit ganz viel positiven Gedanken und positiver Energie starte ich nun also in diesen Sonntag. Scheint bei Euch auch die Sonne? Hier im hohen Norden zeigt der Sommer sich wieder von seiner besten Seite, nachdem es gestern doch eher diesig war. Ich denke mal, ich werde nach dem Mittag ein wenig spazieren gehen. Was sind Eure Pläne für heute?

Samstag, 14. Juli 2018

Another Demon Story

Eine gesunde Ernährung ist nun wichtiger denn je
Und bisher hab ich nur Scheiße gefressen.

Nachdem ich gestern Vormittag also meinen "ich kann, darf und will nicht all die Dinge und Menschen verlieren, die mir wichtig sind"-Anfall hatte, der sicherlich auch gar nicht so ungewöhnlich ist, geht es mir heute diesbezüglich schon wieder um einiges besser. Im Laufe des gestrigen Tages habe ich mir einiges nochmal ganz aktiv bewusst gemacht. Die Menschen, die weiterhin in mein Leben passen, werden bleiben - alle anderen darf ich nicht zum Bleiben zwingen. Wenn mein Job weiterhin zu meinem Leben passt, werde ich ihn halten können - wenn nicht, werde ich einen neuen finden. Alle Dinge sind im Fluss und ich werde sie nicht aufhalten können, ohne dabei mich oder andere unglücklich zu machen. "Let it go!", ist gar kein so verkehrtes Motto. Deshalb werde ich die blöde, olle Verlustangst jetzt einfach ziehen lassen. Auf Wiedersehen, liebe Verlustangst. Du kannst mir nichts nehmen, was wirklich zu mir gehört.

Nachdem ich das nun also verinnerlicht habe - und ja, ich weiß, ich werde mir das noch häufiger vor Augen halten müssen, das ist ganz normal - kann ich mich dem nächsten großen Thema zuwenden: gesunde Ernährung. Ich glaube, wenn ich in den letzten Tagen jemandem von meiner Diagnose erzählt habe, war in vier von fünf Fällen die erste Reaktion irgendein Ernährungstipp. Und das ist toll! Denn zum einen zeigt es, dass den Leuten nicht egal ist, was mit mir geschieht, sonst würden sie sich nicht die Mühe machen, mir Tipps zu geben. Zum anderen drämmelt es mir aber auch von Anfang an ein: "Mädel, achte auf deine Ernährung!" Und da ich da bisher immer eher Nachlässig war - mein Übergewicht kommt ja nicht von ungefähr - kann es gar nicht schaden, bei diesem Thema direkt so indoktriniert zu werden.

Was ich Euch noch nicht erzählt habe: als ich vorgestern unterwegs war, um meine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für Dienstag und Mittwoch abzugeben, habe ich direkt die Gelegenheit genutzt, mich nach meinen Möglichkeiten für Unterstützung durch meine Krankenkasse zu erkundigen. Etwas, das ich Euch auch nur wärmstens empfehlen kann!
Der Mitarbeiter war auch wirklich nett und verständnisvoll und auch ein wenig positiv überrascht, dass ich mich direkt einen Tag nach der Diagnosestellung auf den Weg gemacht habe, um einen guten Weg für mich und meinen neuen Plagegeist zu finden. Ich habe mich übrigens noch nicht entschieden, welche Gestalt der Rheuma-Dämon hat. Tatsächlich habe ich die Möglichkeit bis zu fünf Termine bei einer zertifizierten Ernährungsberatung bezuschusst zu bekommen, sowie zwei Mal im Jahr zB einen Yogakurs oder aber Wassergymnastik. Das ist schon ziemlich cool und ich freue mich da auch wirklich drüber. Das sind nämlich gar keine schlechten Optionen.
Außerdem bietet mir meine Krankenkasse die Möglichkeit zu Onlinecoachings - was ich gerade jetzt zu Beginn gar nicht so verkehrt finde und weshalb ich gestern direkt in ein online Ernährungscoaching gestartet bin, mit dem Ziel in den nächsten 12 Wochen gut 5kg abzunehmen. Zum einen ist es natürlich nett, in Zukunft weniger Gewicht auf den Hüften zu haben und dadurch auch direkt meine Gelenke zu entlasten, zum anderen lerne ich dadurch automatisch eine gesündere Ernährungsweise kennen. Mir ist direkt am ersten Tag vor Augen geführt worden, dass selbst Nahrungsmittel, die ich eigentlich für relativ gesund hielt, eigentlich ziemlicher Mist sind. Natürlich könnte ich jetzt sagen: "Kann doch gar nicht sein, was ein Schwachsinn!", doch ich habe mich dafür entschieden, dem so genannten Ampelprinzip und dem Prinzip des Abnehmens durch eine gesunde Energiedichte jetzt einfach mal wenigstens für die nächsten 12 Wochen eine ernsthafte Chance zu geben und es völlig vorurteilsfrei auszuprobieren. Danach kann ich immer noch entscheiden, ob diese Form der Ernährung für mich geeignet ist.

Schritt 1 auf dem Weg zu einer gesünderen Ernährung ist es, meiner täglichen Flasche Mate "Bye bye!" zu sagen. Seit gestern Nachmittag trinke ich nun fleißig stilles Wasser. Und um dem ganzen wenigstens ein bisschen Geschmack zu geben, habe ich Gurke und Zitrone in das Wasser gegeben, sowie ein paar Minzeblätter. Das funktioniert scheinbar auch sehr gut für mich. Ich mag den Geschmack, ich mag die Frische des Ganzen und obwohl ich eigentlich dazu neige, viel zu wenig zu trinken, habe ich allein heute schon meine ersten 750ml weg. Was schon ein Drittel meines Tagesbedarfs ist, laut dem Ernährungscoaching.

Natürlich ist das jetzt nur ein kleiner erster Schritt, aber es tut immer gut, direkt Erfolge zu bemerken und festzustellen, dass das alles gar nicht so schwierig und schlimm ist, wie man immer befürchtet.

Falls Ihr noch irgendwelche Ernährungstipps für mich habt und zum Beispiel wisst, was für Nahrungsmittel man als Rheumapatient unbedingt meiden sollte oder welche dagegen total gut für einen sind, dann tickert das gern in die Kommentare!! Ich werde das alles zusammentragen und dann im Laufe der Zeit eine Liste erstellen, die dann auch im Blog landet. Und ich freue mich da wirklich über jeden noch so nichtig erscheinenden Beitrag! Denn wenn man plötzlich vor dieser Herausforderung steht und quasi bei null startet ohne Wissen, ohne Erfahrungen, ohne Orientierung, dann ist wirklich jeder Tipp hilfreich!

Freitag, 13. Juli 2018

Another Demon Story

Macht die Bildschirme aus!
Herr im Untergrund, seit wann sind die Kunden denn so laut?!

Gestern war nun also mein erster Tag mit Cortison und ich Wahnsinnige bin natürlich direkt wieder arbeiten gegangen. Zugegeben sicher nicht die beste Idee und ich verstehe jetzt, warum meine Ärztin recht skeptisch guckte, als ich eine längere Krankschreibung ablehnte. Aber was hatte ich denn für eine Wahl? Natürlich wäre gesundheitlich betrachtet die einzig vernünftige Entscheidung gewesen, erst einmal ein paar Tage daheim zu bleiben. Den Körper sich an die neue Medikation gewöhnen zu lassen, erst einmal die aktuelle Entzündung im Fuß abklingen zu lassen, mich nicht zusätzlich durch die Arbeit zu belasten. Dessen bin ich mir absolut bewusst. Die Bildschirme haben in den Augen gebrannt, die Kunden kamen mir 100 Mal lauter vor als sonst und mir ist förmlich der Schädel geplatzt, ich war schlaff und müde und wollte bereits nach zwei Stunden einfach nur noch nach hause in mein Bett und schlafen. Doch für mich steht mein Job auf dem Spiel. Ich bin noch in der Probezeit bis Mitte August und ich darf mir keine weiteren Ausfälle mehr erlauben, wenn ich diese Anstellung nicht verlieren möchte. Und glaubt mir, ich möchte jetzt nicht auch noch meinen Job verlieren.

Warum nicht auch noch? Ganz einfach. Ich habe in den letzten Wochen und Monaten aus meiner Sicht recht viel verloren. Das beginnt damit, dass ich meinen Sohn kaum noch sehe. "Warum? Der lebt doch bei Dir?", werdet Ihr jetzt sicher fragen. Nein, lebt er nicht. Er ist nun schon eine ganze Weile bei meinen Eltern eingezogen und obwohl ich noch alle wichtigen Entscheidungen für ihn treffe, sieht es arg danach aus, dass er in eine offizielle, dauerhafte Pflegschaft dort oder woanders gehen wird. Wir haben kaum noch einen Draht zueinander. Und glaubt mir, ich habe das nicht leichtfertig zugelassen. Aber manchmal bedeutet eine gute Mutter zu sein, einzig und allein das zu tun, was wirklich für das Kind am Besten ist, und ich habe es partout nicht geschafft, mein Leben kindgerecht umzukrempeln. Zuletzt dachte ich, ich könnte es schaffen, als ich meinen (Ex)-Partner kennengelernt habe. Ein wundervoller Mann, toller Vater. Eine ganz warme Seele, wenn man erstmal bis dorthin vordringen kann. Die Frau, die irgendwann ihr leben mit ihm teilen dürfen wird, hat ganz viel Glück. Sie gewinnt nicht nur einen Partner zum Pferde stehlen, sondern auch einen kleinen Stiefsohn, der herzlicher kaum sein könnte. Aber ich bin nicht diese Frau. Damit muss ich leben. Doch mit der Trennung ist für mich der große Traum von einer intakten Familie endgültig geplatzt. Kein Zusammenziehen, keine zwei Kinder, die langsam zu Geschwistern zusammen wachsen, keine Hochzeitsglocken, kein Gar nichts. Obwohl ich mir all das sehr gut hatte vorstellen können. Ich, die eigentlich Bindungsängste vor dem Herrn hat, wollte sesshaft werden mit diesen Menschen in meinem Leben.
Ich habe also den Traum vom für mich perfekten Leben verloren. Und obwohl es nicht jeder versteht oder nachvollziehen kann, ist mir wichtig, dass ich das Recht habe, diesen Verlust zu betrauern. Ich bin darüber noch nicht hinweg und ich werde über diese Trennung auch nicht so bald hinweg sein.

Damit also im seelischen Gepäck sitze ich nun hier und klammere mich an meinen Job, der zwar bestimmt nicht der tollste Job auf Erden ist. Aber es ist ein Job. Es ist eine Aufgabe im Leben, die mir Struktur und Halt gibt. Und ich mag meine Arbeitskollegen wirklich wirklich gern. Mit mir in diesem Büro sitzen wirklich tolle und herzliche Menschen und es würde mich schmerzen, diese guten Seelen nicht mehr täglich um mich zu wissen. Klar könnte man jetzt argumentieren, "dann freunde Dich doch privat mit diesen Menschen an!", doch das wäre nicht dasselbe und würde in vielen Fällen auch sicher gar nicht passen. Aber es passt eben perfekt für die Arbeit, als Kollegen. Und das möchte ich gerade nicht auch noch verlieren.

Ja, ich bin verzweifelt und klammere mich an jeden Strohhalm. Das merke ich beim Schreiben gerade selbst. Und wahrscheinlich strahle ich diese Verzweiflung momentan auch fleißig aus, ohne es selbst vielleicht so arg zu bemerken. Aber mit diesem neuen Dämon auf meiner Schulter fürchte ich nichts mehr, als am Ende verlassen und allein da zu stehen. Ich sehe meine Mom. Sie hat niemanden. Ihr steht keiner zur Seite. Und so möchte ich nicht leben müssen. Ich möchte nicht so werden wie meine Mutter!

Was ich jetzt überwinden muss, ist diese Verlustangst. Ich weiß ja, wer sie schickt: der schwarze Hund. War ja klar, dass er meine Unsicherheit erschnuppern und nochmal wieder aufwachen würde. Aber davon werde ich mich nicht unterkriegen lassen. Ich habe das Problem ja jetzt erkannt und kann dagegen angehen. Also, oberstes Gebot gerade: Jetzt bloß nicht anfangen, übermäßig zu klammern! Und wenn doch: die Leute darauf hinweisen, dass sie mir offen sagen sollen, wenn ich über die Stränge schlage.

Donnerstag, 12. Juli 2018

Another Demon Story

Von der Angst vor dem Gepäck des Dämons
Und der Suche nach einem Heiler

Was mich in den Stunden vor dem heutigen Morgen wohl am meisten beschäftigt hat, war die Frage: "Wie werde ich auf die Medikamente reagieren? Wie wird es sich anfühlen, in so hoher Dosis Cortison nehmen zu müssen? Werde ich so fertig mit der Welt sein, wie alle es sagen?"

Um den aktuellen Schub möglichst schnell in den Griff zu bekommen, hat meine Hausärztin, welche ja erst gestern überhaupt die Diagnose stellte, mir direkt Cortison als Tabletten zur Einnahme verschrieben. Eigentlich hätte ich gestern direkt die ersten zwei Tabletten nehmen sollen. Da die Apotheke das Medikament jedoch nicht sofort vorrätig hatte, konnte ich nun erst heute Morgen mit der Einnahme starten. War mir ehrlich gesagt auch ganz recht so. Die Apothekerin war auch wirklich super lieb! Als sie sah, dass ich kaum auftreten mag mit meinem linken Fuß, bot sie direkt eine kostenlose Lieferung des Medikaments zu mir nach hause an. Das ist allein deswegen schon toll, weil man sich dadurch gleich geborgener und unterstützt fühlt. Es entsteht dieses Gefühl, dass die Leute verstehen, was man gerade durch macht und dass es einen auch ein wenig ängstigt. Und es sagt aus: "Hey, das ist okay."

Nichts ist wichtiger, als in solch einer Situation - dem Ausbruch einer neuen Krankheit in diesem Fall - von Anfang an das Gefühl vermittelt zu bekommen, dass es okay ist. Dass es zwar gruselig sein mag, aber nicht übermächtig. Dass man sich zwar verändern mag, jedoch nicht an Wert dadurch verliert. It's okay not to be okay.

Und zumindest heute scheint mein Körper recht gut mit dem Cortison zurecht zu kommen. Bis Montag einschließlich muss ich jetzt jeden Morgen 20mg zu mir nehmen. Danach bis zum Samstag einschließlich 10mg, um die Dosis dann anschließend auf 5mg täglich senken zu können. Jetzt gerade fühle ich mich einfach wie ein großer glücklicher Wackelpudding. Zwar mit Schmerzen und laufen möchte dieser Wackelpudding nicht. Aber er mag es, ein Wackelpudding zu sein. Ich bin Pudding! "I am Groot" - the pudding way. Und der ist schließlich ein Superheld, Baum. Also was soll schon schiefgehen? Ich bin Pudding.

Doch auch ein Pudding braucht einen Arzt, der durch diese Erfahrung begleitet und die Suche nach einem geeigneten Rheumatologen ist bekanntlich nicht so leicht. Ich bin mir auch sehr bewusst, dass ich gerade Glück im Unglück hatte. Es gibt bei uns in der Stadt ganze drei Rheumatologen. Eine heiß begehrte Rarität also. Und die Wartezeiten können zuweilen echt quälend sein. Nicht selten warten Leute mehrere Monate auf einen Termin. Selbst meine Mutter - und die ist seit Jahren bei ihrem Arzt Patientin - wartet gut und gern mal vier bis sechs Monate auf einen Termin.

Natürlich war mein erster Impuls, mich an den Arzt meiner Mutter zu wenden. Hier kam jedoch schnell die Ernüchterung: "Der Herr Doktor nimmt aktuell keine neuen Patienten mehr auf." Mist! Also den nächsten anrufen. Was, wenn es überhaupt nur drei Ärzte zur Auswahl gibt und einer schon "nein" gesagt hat, den Optimismus zugegeben ein wenig dämpft.
Aber ich bin sehr froh, direkt den zweiten Anruf gewagt zu haben! Nun habe ich Ende August meinen ersten Termin mit meinem neuen Rheumatologen und muss mir keine Sorgen mehr darum machen, ob ich einen Arzt finden werde und wie lange ich warten müssen könnte. Arzt und Wartezeit sind nun klar. Zwei Unbekannte weniger. Das Team "F*ck Dich, Rheuma!" hat ein neues Mitglied.

Dass ich so schnell einen Termin bekommen habe war jedoch zugegeben großes Glück. Solltet Ihr selbst auch betroffen sein und nicht so schnell Erfolg haben was das angeht: Lasst Euch niemals den Mut nehmen! Und traut Euch ruhig am Telefon etwas Druck zu machen. Oder nennt, wie ich es getan habe, Euren CCP-Wert. Ist dieser wie bei mir signifikant erhöht (Normalwert ist <7, meiner liegt bei 104.0 - Stand 10.07.2018), dann stehen die Chancen sehr gut, dass man Euch irgendwo zwischen schieben wird. Und es gilt wie immer: Versuch macht klug. Jede Information über Euren Zustand kann Euch einem Arzttermin schneller näher bringen. Und das ist okay. Die Leute wissen, dass Ihr nicht ewig warten könnt.

Ich mache mich nun fertig für die Arbeit, denn es ist mir wichtig, dass ich trotz dieser neuen Herausforderung mein Leben weiter lebe. Ich bin sehr gespannt, wie es ist, unter dieser Medikation zu arbeiten. Aber dazu beim nächsten Mal dann mehr...

Mittwoch, 11. Juli 2018

Another Demon Story

Tag X
Ein neuer Dämon in meinem Leben

Hi. Lange nichts von mir gehört, hm?
Ich muss ehrlich sagen: lange gab es auch einfach nichts, was mir das Schreiben wirklich wert gewesen wäre. Nichts, was mich hätte aktiv am Ball halten können. Es gab nichts, was mich so sehr bewegt hat, dass ich gesagt habe: "Hey, damit kannst Du auch bei anderen etwas bewegen. Darüber musst Du schreiben!".

Das hat sich nun geändert.

In den letzten Jahren hat sich in meinem Leben vieles getan und was früher mein großes Thema war - die Black Dog Story - wurde immer nichtiger. Nein, der schwarze Hund ist nicht weg. Aber er ist ganz klein geworden mit der Zeit und so richtig kuschelig und handzahm und er behelligt mich nie sonderlich lange. Denn ich habe gelernt, dass nicht alles so schlimm ist, wie es auf den ersten Blick erscheinen mag. Und auch der neue Dämon auf meiner Schulter ist nicht hier, um den schwarzen Hund zu wecken. Vor dem Hündchen hat er gefälligst leise zu sein und Abstand von zu halten!

Dennoch ist dieser neue Dämon da und er hat auch einen Namen: Rheuma.

Ich kenne ihn erst seit heute. Beziehungsweise er hat erst heute für mich einen Namen erhalten. So richtig intensiv lernen wir uns nun schon seit Anfang der Woche kennen. Er ist da aber auch recht penetrant und fiel direkt mit der Tür ins Haus. "Hallo, hier bin ich! Hier bleibe ich. Ist nett hier.", so hat er mich begrüßt und direkt einen meiner Zehen in Beschlag genommen.
Der Fairness halber muss ich jedoch zugeben: Ich wusste, früher oder später würde er in mein Leben treten, denn bei meiner Mama kehrt er schon seit vielen vielen Jahren ein. Und ich muss sagen, er erschien mir immer als sehr garstiges Biest, war doch aber bis zum heutigen Tag sehr abstrakt in meiner Welt und höchstens ein drohender Schatten in der Ferne. Mit ihm gerechnet habe ich eigentlich erst in einigen Jahrzehnten. Nun ist er doch schon früher als erwartet hier und ich sage tapfer: "Hallo!" und lache ihn an. Er macht mir keine Angst. Höchstens sein Gepäck, die Medikamente und ihre möglichen Nebenwirkungen. Die schüchtern mich ein. Das gebe ich zu. Und es wäre wohl, wie bei so vielem, töricht, gar keine Furcht zu haben.

Seit der Diagnose heute Morgen schwebe ich in so einer Art Blase, die den Dämon noch ein wenig von mir fern hält. Ich weiß, die Blase wird bald platzen. Doch heute schützt sie mich noch und macht mich handlungsfähig. Ich habe mein Rezept für Cortison eingelöst, mich über die hiesigen Rheumatologen informiert und mich meinem Arbeitgeber gegenüber direkt offenbart. Dumm? Ja, vielleicht beißt mir letzteres in den Hintern. Doch ich bevorzuge Offenheit. Und ich weiß: sollte ich meinen Job trotz dieser Diagnose behalten dürfen, dann habe ich wirklich den richtigen Arbeitgeber für mich gefunden. Und davon bin ich doch recht überzeugt.

Auch eine andere Begegnung in letzter Zeit wirkt nun noch schicksalhafter als sie es eh schon tat. Ich glaube, ich werde meinen Weg nicht alleine finden müssen. Und das macht mir Mut! Ich weiß, es gibt Leute, die hinter mir stehen werden. Manche mit Erfahrung, andere mit offenem Ohr und andere mit Kuscheldecken und Kakao für die blöden Tage. Und gemeinsam werden wir diesem Dämon den Stinkefinger zeigen. Davon bin ich fest überzeugt und dafür bedanke ich mich schon jetzt!

Dennoch möchte ich diesen Blog nun wieder aufnehmen und euch Another Demon Story erzählen, denn ich glaube, dass Austausch auch eine Form von Heilung ist und heute ist meine Gelegenheit, Euch von Anfang an an die Hand zu nehmen und zu sagen: so ist es, aber verliere nie deinen Mut!