Mittwoch, 1. August 2018

Another Demon Story

Die wohl seltsamsten drei Wochen meines Lebens

Genau drei Wochen ist es jetzt her, dass ich die Diagnose zur Rheumatoiden Arthritis bekommen habe. Und es ist ein konstantes Auf und Ab. Ich habe gute und schlechte Tage und erinnere mich doch kaum an auch nur einen einzigen davon. Es ist als zöge das Leben an mir vorbei, obwohl ich mich bemühe weiterhin mittendrin zu sein. Aber irgendwie stehe ich doch nur noch neben mir. Ich bin mittendrin und doch nicht dabei. Meine Freunde stehen mir zur Seite, so gut sie können. Meine Arbeitskollegen versuchen mich jeden Tag bestmöglich durch zu bringen. Mir begegnet so viel guter Zuspruch. Oder aber die stille Übereinkunft, den Teufel nicht beim Namen zu nennen, jedoch trotzdem Rücksicht auf seinen Würgegriff zu nehmen. Und so fühlt es sich gerade tatsächlich an. Als hätte sich eine Hand um meinen Hals gelegt, die langsam aber stetig immer fester zu drückt und mit jedem Tag fällt mir das Atmen schwerer. Letzteres ist sicher auch dem heißen, trockenen Wetter in Kombination mit den Cortison Tabletten geschuldet. Da bekommen ja selbst nicht chronisch erkrankte Menschen so ihre Probleme mit der Gesundheit. Mein Kater keucht auch aus dem letzten Loch und hält sich fast nur noch unter meinem Bett auf, weil das scheinbar der kühlste Ort in der Wohnung ist.

Ich merke, dass es mir nicht gut geht, das mein Zustand sich verschlechtert. Ich kann und mag kaum noch feste Nahrung zu mir nehmen, aus "Ich nehme langsam und gesund 5kg in 12 Wochen ab" sind jetzt schon 2kg in 2 Wochen geworden und trotz aller Unterstützung fühle ich mich oft so allein wie sonst selten. Es gibt einfach nur diese eine Hand voll Menschen, die mir wirklich Sicherheit zu geben vermag und die sind entweder hunderte Kilometer entfernt oder haben auch einfach ihr eigenes Leben. Und so pendel ich von der Arbeit in meine schäbige kleine Wohnung und bin froh über jeden Zwischenstopp, den ich mit Freunden einlegen kann. Sei es ein Picknick im Park oder am Strand, ein Konzert in einer anderen Stadt, ein Frühstück im Café oder Wäsche waschen bei einem Freund. Doch nichts davon erreicht mich mehr wirklich. Es ist als hätte sich eine transparente Barriere zwischen mir und der Welt gebildet und nichts kann durchdringen. Fast nichts. Der einzige Mensch, der wirklich durchdringt, zu dem kann ich nicht durchdringen. Es ist wie ein Fluch. Nichts davon erscheint noch fair. Ich wusste, ich würde irgendwann in meinem Leben vor dieser Diagnose stehen. Aber ich hätte nie erwartet, dass es so früh sein würde. Dass ich noch so jung sein würde. Doch vielleicht war es auch absehbar. Mit Sechzehn der doppelte Bandscheibenvorfall, schon zwei fast tödlich verlaufene Nierenbeckenentzündungen, ein seit Jahren ständig geschwächtes Immunsystem, beschissene Ernährung und kaum Bewegung. Was hatte ich denn erwartet, wo mich das hin führen würde? Ins Grab, ziemlich sicher. Bei mir schwingt eben doch in allem immer eine gewisse Todessehnsucht mit. Was nicht bedeutet, dass ich nicht leben will. Es ist keine Suizidgefährdung. Es ist bloß einfach die Sehnsucht nach einem Ende und vielleicht einer neuen, weniger quälenden Existenzstufe.

Wisst Ihr, was ich vermisse? Ich vermisse es, an einer Bar zu arbeiten. Mir fehlen die zahlreichen Begegnungen jedes Wochenende, die Gespräche, die Musik, die Hektik, der Stress. Aber ich traue mir das einfach nicht mehr zu. Ich schaffe es ja kaum, meinen Bürojob zu halten, weil mein Körper gerade nichts aushält. Wie soll ich mich da nebenher noch wieder hinter eine Bar stellen? Aber es fehlt mir so sehr. Mir fehlt das klappern der Schubladen, das Klirren der Bierflaschen, das Shaken der Cocktails, der Lärm der wartenden Gäste. Mir fehlt die Dynamik, die Bewegung. Da das Rheuma jedoch vorrangig meine Füße befallen hat in diesem Schub, kann ich zeitweise kaum laufen und wäre gar nicht in der Lage, die nötige Leistung zu bringen.
Ich hab es kaum jemandem verraten, aber mein Traum war es schon länger, irgendwann eine eigene kleine Bar zu haben mit Bühne oder einen Club, ein kleines Venue für die lokale Musikszene. Aber dieser Traum platzt gerade und das zerreißt mir das Herz. Alleine werde ich das nicht mehr schaffen und ich wüsste niemanden, der das mit mir gemeinsam aufbauen würde. Ich weiß, wen ich mir als Partner wünschen würde, doch das ist utopisch. Alles nur ein Traum, zerbrechlicher als das dünnste Porzellan.

Letzte Nacht ist mir die Haut an der Innenseite meines rechten Fußes aufgeplatzt. Quasi einfach so. Es hat geblutet wie sau, blutet immer noch. Und ich habe geweint. Einfach nur geweint. Das war der Moment, in dem mir alles einfach zu viel geworden ist. Der Moment, in dem ich nur noch gedacht habe: "Ich will das alles nicht!". Und trotzdem weiß ich, dass ich keine andere Wahl habe, als mir nachher die Tränen aus dem Gesicht zu wischen, mich anzuziehen, meine Tasche zu nehmen und zur Arbeit zu gehen... stark bleiben. Aufhören Trost zu suchen, anfangen Trost zu sein. Weiter lächeln. Das Leben ist noch lang.

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