Donnerstag, 13. August 2015

Black Dog Story.

Zentrum für integrative Psychiatrie
meine Zeit in der Klapse

Am 28ten September 2009 war es dann also so weit.

Ich traf mich nach der Schule, nachdem ich mir kurz zuvor wieder einmal den linken Arm aufgekratzt hatte, mit einer sehr guten Freundin. Wir saßen in einem Burgerrestaurant im Hauptbahnhof und ich schilderte ihr meine Ängste und welch düstere Gedanken mich nun immer häufiger heimsuchten. Die Sorge stand ihr ins Gesicht geschrieben. Und sie kam nicht umhin zu betonen, ich sah nicht mehr gut aus. Kränklich, blass.
Seit dem Sommer hatten mich unfassbar heftige Rückenschmerzen geplagt. Mein Arzt dachte an einen geklemmten Nerv, gab mir Schmerzmittel. Ich wusste, es war etwas anderes. Das Ganze warf mich extrem aus der Bahn. Ich rauchte wie ein Schlot und schmiss viel zu viele jener Schmerztabletten ein. Es wurde zur Sucht.

Gemeinsam beschlossen wir also einen Spaziergang zu machen - zur örtlichen Psychiatrie.

Es wurde ein Aufnahmegespräch mit mir geführt, bei dem ich unter Tränen mein Leben und diese Dinge in meinem Kopf schilderte. Man stufte mich nicht als akut Suizidgefährdet ein. So kam ich auf die offene Jugendstation des Klinikums. Meine Eltern wurden angerufen. Ich würde auf unbestimmte Zeit dort bleiben und dort auch zur Schule gehen. Widerwillig brachte mein Vater mir am Abend einige wild zusammen gewürfelte Klamotten mit, welche ich eigentlich längst aussortiert hatte. Meine Mutter wollte nicht mehr mit mir sprechen. Ich fühlte mich extrem unwohl, hatte Angst, wer die anderen Jugendlichen sein würden.
Doch die Angst war unbegründet! Ich traf einige der tollsten Menschen, die ich in meinem bisherigen Leben habe kennen lernen dürfen. Wir waren für einander da. Wir lachten miteinander. Wir hatten Spaß miteinander. Zum ersten Mal in meinem Leben fühlte ich mich innerlich so aufgeräumt, dass ich meinen Teil des Klinikzimmers unfassbar ordentlich hielt. Meine CDs standen alphabetisch sortiert und in exaktem Abstand zu einander auf der Fensterbank; das werde ich nie vergessen! Ich nahm nun auch keine Schmerzmittel mehr ein. Ich begann mich tatsächlich wohl zu fühlen und ich erkannte: mich selbst zu verletzen muss aufhören! Und das tat es von da an auch.
Einen Abend bekam ich Besuch von zwei Freundinnen. Das tat mir ebenfalls unglaublich gut. Sie hatten mir eine Zahnbürste und etwas Make-Up gekauft. Kleidung hatten sie mir leider nicht mitbringen können. Sie waren an meiner Mutter gescheitert, welche ihnen die Wohnungstür partout nicht hatte öffnen wollen. Wer weiss, weshalb, Meine Mutter sagte wenig später, ich hätte ihr meine Freunde auf den Hals gehetzt und sie habe sich bedroht gefühlt. Schwachsinn, wenn man mich fragt. Meine Mutter ist um die 1,80m groß und nicht schmächtig. Jene Freundinnen knackten knapp die 1,60m und waren Fliegengewichte und grundsätzlich freundlich veranlagt, von ihrem Besuch bei meinen Eltern hatte ich im Vornherein gar nicht gewusst. Bedrohung, Hetze? Wo? Naja...

Schnell wurde ich übermütig. Ich fühlte mich nach kurzer Zeit so stark und in mir gefestigt, dass ich die Psychiatrie extrem schnell wieder verlassen wollte. Man riet mir ab, der Oberarzt versuchte mich vom Gegenteil zu überzeugen. Ich blieb standhaft. Ich war in so einem Hochmut gefangen. Ich dachte, nun könne ich es mit der gesamten Welt aufnehmen! Und das wollte ich mir selbst und allen anderen sofort beweisen. Ich glaubte wirklich, nun gesund zu sein. So wie ich es mir immer gewünscht hatte. Und schließlich stand nur noch eines zwischen mir und meiner Freiheit: ein Elterngespräch. Und ich hatte, wie sich rausstellen sollte zurecht, höllische Angst davor.

Lasst mich sagen, jenes Elterngespräch schrieb Stationsgeschichte, war so noch nicht erlebt worden und sorgt noch heute für Gesprächsstoff zwischen meinem Ex-Freund aus jener Zeit und mir. Ja, ich verliebte mich in der Psychiatrie bzw kurz danach in jemanden auf Station. Different Story!
Was dieses Elterngespräch so besonders machte: zum einen die extreme Lautstärke - wir waren am anderen Ende des Gebäudes gut und deutlich zu verstehen - und dann waren da noch die extrem vielen Beleidigungen und Vorwürfe aller gegen alle und nicht zu vergessen die völlig abstrusen Ideen meiner Mom. Einige werde ich Euch nennen. Basieren taten diese Ideen alle auf der Vorstellung meiner Mom, weil ich nun offiziell Suizidgedanken hatte, könne man mich nicht mehr aus den Augen lassen, denn ich könne jeden Moment hopps gehen. Das zum Hintergrund.

Mein persönlicher Favorit war die Drohung meiner Mutter an die Psychologin, sollte sie mich entlassen, würde meine Mutter vor Gericht eine Zwangseinweisung meiner Person erwirken. Dies wurde glücklicherweise jedoch sofort von jener Psychologin fundiert abgeschmettert. Verdammt, hatte diese Drohung mir Angst eingejagt! Dann kam die aberwitzige Idee auf, mich zukünftig in meinem Zimmer Video zu überwachen. Dies wurde ebenfalls zerschmettert, man müsse mir schon weiterhin eine Privatsphäre zugestehen. Kompromiss: Ich durfte meine Zimmertür nicht mehr komplett schließen, nur noch anlehnen. Ich hielt mich nicht allzu lange daran. Also kam die absolut beschissenste Konsequenz auf mich zu, welche auch durchgezogen wurde: ein halbes Jahr Hausarrest! Zu ihrer Verteidigung, sie zog davon nur drei Monate durch und wandelte die restlichen drei Monate in ein Internetverbot um. Nicht minder beschissen, um ehrlich zu sein.

Ist es sinnvoll ein Kind oder eine Jugendliche zu Bestrafen, die diese Schritte im Leben gegangen ist? Nein. Definitiv nein. Sinnvoll ist das nicht. Wie wenig sinnvoll zeigte sich an meinem daraus resultierenden Verhalten. Aber ich erreichte mein Ziel, ich wurde aus der Psychiatrie entlassen.

oOoOoOo

Ich gebe meinen Eltern nicht länger die Schuld, versteht dieses Kapitel bitte nicht falsch! Mein Leben ist halt einfach nicht immer ideal gelaufen und man hätte auf allen Seiten vieles anders lösen können. Aber all dies hat mich zu demjenigen gemacht, der ich heute bin und ich bin heute ein fast schon glücklicher Mensch. Mit vielem, was mich heute zu überrollen versucht, komme ich wegen all jener Erfahrungen perfekt zurecht und kann vielem trotzen. Alles hat immer auch seine guten Seiten!

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