Dienstag, 11. August 2015

Black Dog Story.

Der schwarze Hund beißt zu

Einen Satz werde ich wohl nie vergessen: "Findest Du die Narben nicht auch hässlich?!"
Wer ihn gesagt hat? Meine Mum. Wann? Als ich in einer nicht gerade kleinen Blutlache mit großflächig aufgekratztem Arm in meinem alten Zimmer in der Wohnung meiner Eltern saß. Es war das dritte Blutbad, wie ich es nenne. Und meine Mutter war, nüchtern betrachtet, angewidert und maßlos mit diesem Verhalten überfordert.

Man nennt es selbst verletzendes Verhalten. Im Volksmund wird es oft als "Ritzen" verpönt. Nicht immer ist es Teil einer Depression, auch Aufmerksamkeitsdefizitsstörungen und andere psychische Verhaltens- und Gemütsstörungen können dieses Verhalten in einem Menschen hervorrufen. Grob spricht man zunächst einmal vom Schneider, welcher das Schneiden der Haut mit verschiedenen Gegenständen praktiziert, und vom Kratzer, welcher sich die Haut meist mit den eigenen Fingernägeln aber auch mit möglichen Hilfsgegenständen bis aufs Fleisch vom Körper kratzt. Ich war letzteres. Mein linker Arm weist viele Narben vom Kratzen auf, deren einziger Vorteil ist, dass sie schneller verblassen als Schnittwunden. Meine einzige Schnittwunde liegt ebenfalls am linken Arm, ganz ganz nahe der Pulsader und ist aus diesem Jahr.

Warum habe ich mir den Arm aufgekratzt? Was waren das für Situationen?

Beim besten Willen, ich habe keine Ahnung mehr! Aber ich weiss, dass genau dieses keine-Ahnung-haben mir damals mit 14,15,16 eine scheiß Angst eingejagt hat. Denn ich war nicht bei Bewusstsein als diese Dinge passiert sind. Sobald meine Fingernägel auf meiner Haut aufsetzten und begannen, an ihr zu schaben, verfiel ich in eine Art der Trance. Und ich erwachte meist erst, wenn ich Blut auf meinen Lippen schmeckte. Denn nicht selten leckte ich mir die Wunden und begann mit dem Blut zu spielen. Ein Mal nutzte ich es als roten Lidschatten und ging so zum Supermarkt einkaufen. War ich geisteskrank? Ja. Wahrscheinlich. Meine Verwandtschaft ist bis heute überzeugt, dass ich geisteskrank bin.

Doch wer war ich, während ich mich in jener blutdürstigen Trance befand?
Ich war meine Krankheit. Ich war ihr dunkelster Dämon selbst. Ich war der schwarze Hund.

Und wenn ich wieder erwachte, sah ich die Wunden und musste reagieren. Ich versteckte sie nicht. Sie waren für mich wie Schürfwunden von einem Radunfall es für andere Menschen sind. Säubern, desinfizieren, verbinden. Das war meine Routine. Ich bin quasi Meister darin, Fleischwunden zu verarzten. Das bin ich noch heute, auch wenn ich im "Ritzer-Jargon" clean bin.

Meine Angst vor jener Trance wurde irgendwann so stark, dass ich eine sehr gute Freundin um Hilfe bat. "Bring mich in die Psychiatrie oder im nächsten Blutrausch bringe ich mich vielleicht um!" Das waren meine Worte im September 2009.


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