Dienstag, 10. September 2019

Odyssee des Schmerzes

Der 14te August 2019
Einer dieser Tage...

Jeder von uns kennt doch diese Tage, an deren Vortagen man schon mit einem mulmigen Gefühl ins Bett geht. Sei es vor Prüfungen, einem Bewerbungsgespräch oder einem wichtigen Termin. Nun, in meinem Fall war es der Vorabend der Einschulung meines Sohnes. Eine Einschulung, an welcher ich, als die Person, welche ihn zur Welt brachte, unerwünscht war und nicht teilnehmen würde. Ein Umstand, welcher mir Bauchschmerzen bereitete, auch wenn ich mich schon in den Wochen zuvor stets um Verständnis und Akzeptanz für die Situation bemüht hatte. Denn mein Sohn hatte im Kindergarten mehr als genug unschöne Momente durchleben müssen, weil er eben nicht von seinen Eltern, sondern seit inzwischen fast drei Jahren von seinen Großeltern großgezogen wird. Es ist also nachvollziehbar und vollkommen okay, dass er keine Fortsetzung dieser Torturen in seiner Schulzeit wünscht und seine Klassenkameraden würden sicher erneut mit schmerzenden Fragen um die Ecke kommen, wären sein Vater und ich dort erschienen. Und es ist ja nicht so als hätten wir als Erwachsene diesen beschissenen Lauf der Dinge nicht selbst zu verantworten. Unseren Sohn trifft keinerlei Schuld daran, dass er uns inzwischen lieber aus seinem Leben raus halten möchte. Das waren wir.

Nun, es fiel mir also am Morgen des 14ten August nicht gerade leicht, das Bett zu verlassen und das nicht nur, weil neben mir einer meiner Lieblingsmenschen lag und noch selig schlief. Auch wenn das sicher ein Faktor war. Wer bleibt nicht lieber an einem Ort, an welchem man sich wert geschätzt und geliebt fühlt, als das Haus zu verlassen, um den Tag zwar mit der Familie, jedoch faktisch gesehen mit Menschen zu verbringen, die auch gut auf einen verzichten könnten? Dennoch stand ich auf, sobald meine Mutter mir bescheid gab, dass der offizielle Part der Einschulung vorüber sei und ich mich auf den Weg zu meinen Eltern und meinem Sohn nach hause begeben könne, und machte mich fertig. Einen Kaffee trinken wollte ich mit meinem Lieblingsmenschen dann allerdings doch noch.

Falls ihr euch jetzt fragen solltet, wer dieser ominöse Lieblingsmensch ist: nein, wir sind nicht zusammen im klassischen Sinne, aber wir genießen die Anwesenheit des jeweils anderen, haben uns wahnsinnig viel zu sagen und empfinden eine gewisse Verbundenheit zu einander. Aber Lieblingsmenschen hat man mehrere. Zu meinen Lieblingsmenschen zähle ich auch meinen besten Freund und andere enge Freunde. Das ist kein Exklusivtitel.

Der Kaffee war jedenfalls nach wenigen Minuten geleert und ich bereit zum Aufbruch. So erhob ich mich also von der Couch. Und sackte direkt wieder in mich zusammen. Nicht weil mein Kreislauf eingebrochen wäre oder mich vor Aufregung doch noch Übelkeit überkommen hätte. Nein, mir war ein Schmerz in den Rücken geschossen, der mich fast lähmte. Meine gesamte Lendenwirbelsäule erschien plötzlich steif. Meine Beine wollten mich nicht mehr tragen. Doch ich blieb stark, riss mich zusammen, blieb bemüht, mir nicht allzu viel anmerken zu lassen und stand erneut auf.

Ich verließ das Haus und machte mich langsam und zitternd, mit enormen Schmerzen, auf den Weg zu meinen Eltern. Zum Glück kam ich auch halbwegs wohlbehalten an. Auch wenn ich mich bis heute frage, woher ich die Kraft nahm, mich nach guten zwei Kilometern Fußweg auch noch die Treppen in den zweiten Stock hoch zu schleppen. Dort angekommen ging jedenfalls erst einmal gar nichts mehr, außer mich auf dem relativ großflächigen Lehnstuhl meiner Mutter niederzulassen und dort sitzen zu bleiben. Ich muss meinem Sohn an diesem Tag noch überflüssiger erschienen sein, als eh schon von ihm erwartet. Und zu allem Überfluss entgingen wir so natürlich alle nicht einem Zusammentreffen zwischen mir und seinem Vater - ein Umstand, der mir, auf Grund unserer nicht nur unrühmlichen, sondern tief traumatischen Vergangenheit wohl niemals leicht fallen wird.

So saß ich dort also: hilflos, überflüssig und erfüllt von Schmerzen, unfähig zu gehen und der Situation zu entkommen.

Erst in den Abendstunden hatte ich erneut genügend Kraft gesammelt, um den Heimweg antreten zu können. Doch ich wusste, um einen Besuch bei meiner Hausärztin am nächsten Tag würde ich nicht herum kommen. Völlig unmöglich. Und so begann für mich, was ich inzwischen als meine Odyssee des Schmerzes bezeichne...

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