Montag, 14. Januar 2019

5 Minutes of Honesty

Demaskierung

Ja, ich weiß. Das Internet ist dazu da, sich selbst besser darzustellen, als man ist. Auf Instagram laden wir nur die besten Bilder unserer tollsten Tage hoch. Auf Facebook posten wir idealerweise nur, wenn es uns gut geht oder wir unseren Post wenigstens belustigend finden - manchmal würzen wir unser Profil auch mit ein wenig Gesellschaftskritik. Doch grundsätzlich tragen wir Masken. Auch ich. Obwohl ich diesen Blog seit Jahren so demaskiert wie möglich schreibe, gehöre ich doch zu den Menschen, die sich in Social Media hinter der Maske des "besseren Lebens" verkriechen. Vielleicht ein Prozess, der ganz normal ist. Nichts verwerfliches.

Doch dieser Blog ist anders: Ich zeige meine Schattenseiten. Weshalb? Weil ich weiß, dass es nicht allein meine Schattenseiten sind. Nicht nur ich kämpfe mit all diesen Dämonen. Und manchmal ist es das beste, das hilfreichste zu wissen, dort draußen ist noch jemand und schlägt dieselben oder aber wenigstens ähnliche Schlachten. Das kann Kraft geben, Mut machen. Und das war immer mein Ziel und wird es hoffentlich auch bleiben.

Fällt mir das leicht?
Nein.

Diese Frage beantwortet sich alleine schon durch die Frequentierung meiner Uploads. Alle paar Monate mal ein oder zwei Posts zu irgendeinem Thema, wenn ich es selbst nicht mehr mit der Belastung aushalte und sie mir von der Seele tippen muss. Manchmal über Monate hinweg nicht ein einziges Wort von mir. Eine Zeit lang glaubte ich, das Ende dieses Blogs sei längst gekommen. Ich begann über irgendetwas zu schreiben, was regelmäßig thematisiert werden sollte und verlor doch nach wenigen Posts, wenn es denn zu mehreren kam, erneut jeglichen Elan. Dabei hatte ich ganz vergessen, weshalb ich diesen Blog eigentlich führe. Um mir und anderen zu helfen. Zwischenmenschlich. Ehrlich. Offen. Und manchmal ist man zu dieser Form von Kommunikation eben einfach nicht in der Lage. Manchmal ist mir ja selbst die Alltagskommunikation zu viel - gerade jetzt als Kundenberaterin im Callcenter, den halben Tag telefonierend, obwohl ich privat nichts schlimmer finde als Telefonate. "Verlass doch mal deine Komfortzone", ist aus meiner Sicht häufig also eher ein schlechter Witz. In jener bewege ich mich nämlich kaum noch und das sieht man mir auch an. Ich habe stärkere Acne im Gesicht entwickelt als jemals zuvor - nichtmal in den intensivsten Pubertätsjahren brüllte mein Gesicht so sehr nach Anti-Pickel-Pflege. Und es braucht niemand glauben, dass das nicht an mir nagen würde. Ich habe bloß einfach beschlossen, dagegen zu unternehmen, was ich kann und der Rest sind andere Baustellen, bei welchen ich noch nicht weiß, wie ich sie überhaupt angehen soll. Mich beschäftigt schon wieder so vieles im Leben und ich frage mich schon wieder: Wo ist mein verdammtes Ventil?

Es ist hier. Genau hier. Du liest es gerade. Ich habe es mit Inhalt gefüllt. So offensichtlich und doch schon wieder aus meinem Bewusstsein gestrichen gewesen. Stattdessen omnipräsent die Frage: was tue ich gegen diese verdammten Depressionen? Wohin mit meinen negativen Gedanken und Gefühlen? Wohin mit meinem Stress, den Schlafstörungen, den Herausforderungen - mental und physisch? 

Hier hin. In meine Komfortzone. Denn Schreiben bedeutet Komfort für mich. Schreiben bedeutet Sicherheit. Schreiben bedeutet die Möglichkeit zu haben, alles zum Ausdruck zu bringen, was mich so beschäftigt. Was die Leute dann im Nachhinein aus dem von mir Geschriebenen machen - das ist ihre Sache. Es wird immer jemand anstoß nehmen in den Worten, die wir für unsere Geschichten wählen. Doch dieser jemand ist nicht wichtig. Er kann wichtig werden, ist seine Argumentation eine konstruktive. Doch der rein destruktive Aggressor wird niemals Wichtigkeit in meinem Denken und Sein erlangen - nicht mehr.

Ich denke, also bin ich. Doch ich weiß, dass ich nichts weiß. Descartes und Sokrates - zumindest schreiben wir letzterem diesen Ausspruch zu. Zwei große Philosophen, große Denker. Und zwei Aussprüche, die fast jeder kennt. Ich bin ich, weil ich denke. Meine Gedanken definieren mich. Doch sie sind kein Wissen. Denn eigentlich wissen wir nichts. Der Kosmos baut sich auf aus Wahrscheinlichkeiten. Alles kann sein, muss es aber nicht. Es ist ein riesiges Geflecht aus existent und nicht existent, doch beides möglich. Das Prinzip von Schrödingers Katze gilt nicht etwa bloß für das süße Mietzekätchen im Karton, von dem man erst bei Öffnen des Kartons wissen wird, in welchem Zustand des Seins es sich befindet - tot oder lebendig - nein, das Prinzip von Schrödingers Katze gilt für alles, was in einer Hülle verborgen liegt. Weshalb ich meine Briefe gern als Schrödingers Post bezeichne, mein Briefkasten ist Schrödingers Briefkasten und eigentlich fasse ich bloß den Mut, hinter die Fassade von irgendwas zu blicken, weil ich der unsicheren Wahrscheinlichkeiten überdrüssig geworden bin und lieber wissen möchte, ob das verdammte Vieh nun tot oder lebendig ist. Das bedeutet Wissenschaft. Die Wissenschaft ist sich ob der unendlichen Wahrscheinlichkeiten bewusst und versucht so viele Kartons wie möglich zu öffnen, um zumindest das begrenzte Wissen, welches uns als gesichert gilt, zu erhalten. Und so bin ich in den letzten Monaten langsam aber sicher zum Wissenschaftler meines eigenen Lebens geworden. Ich öffne diese verdammten Boxen nun. Ich schaue hinter die Fassaden und die Masken. Ich mache aus unsicheren Wahrscheinlichkeiten Gewissheit - ob positiv oder negativ sei vorerst egal, aber Gewissheit. Und das ist wichtig. Zuweilen beängstigend, aber wichtig.

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