Freitag, 9. Juni 2023

It's okay to be queer!

LGB never without the T

Wir leben in einer beängstigenden Zeit, in der alles, was von der cis-heterosexuellen Norm abweicht, erneut auf gesellschaftlicher Ebene um seine Existenz und die Berechtigung dieser kämpfen muss. Aber woher kommt das? Woher kommen diese Ängste, die sich, wie für Angst nun einmal so üblich, durch ihre Irrationalität auszeichnen? Worin liegt eigentlich die Bedrohung?

Steile These vorweg genommen: ich glaube, die eigentliche Bedrohung des Status Quo liegt in dem unbändigen Mut, welchen es braucht, sich loszusagen von den gesellschaftlichen Erwartungen und sein eigenes authentisches Selbst zu leben. Denn wer über eine solche Menge an Mut verfügt, der ist auch an anderer Stelle nur schwierig zu stoppen und ja, dieser Mensch stellt Forderungen an das vorherrschende System, welche Veränderungen erfordern, die beängstigend wirken können. Denn Veränderung bedeutet Ungewissheit und mit letzterer kann der Mensch als solcher nur sehr schwierig umgehen. Das Sicherheitsbedürfnis koppelt sich also an das Bekannte und das Bekannte bedeutet einen möglichst unumstößlichen Status Quo, welcher sich notfalls mit Gewalt zu behaupten versucht.

Aber zurück zum Anfang...

Denn selbst die LGBTQIA+ Community springt aktuell auf den Zug der Transphobie mit auf und es gibt innerhalb der Community Bewegungen, die ganz klar proklamieren "LGB without the T". Aus Furcht. Denn was passiert, wenn man sich auf die Seite des aktuellen Zieles von Hass und Gewalt stellt? Man begibt sich ebenfalls in die Schusslinie. Und so gerät in Vergessenheit, dass die gesamte Community noch heute kein bisschen in Freiheit leben könnte, hätte es nicht vor gut 50 Jahren in Nordamerika ein paar unbändig mutige trans*-Frauen of Colour gegeben, die in Stonewall auf die Straße gegangen sind und dem Establishment den Kampf angesagt haben. Die Befreiung "started with a riot" und das T in LGBTQIA+ war dafür unentbehrlich!

Aber "trans*", was bedeutet das eigentlich? Und was bedeutet "cis"?

Ich bin kein Grammatikexperte und bin mir selbst nicht sicher, ob Adjektiv oder adverbiale Bestimmung an dieser Stelle der korrekte Ausdruck ist. Ich bin kein Germanist und will auch keiner werden. Und ihr seid höchstwahrscheinlich auch alle keine Germanist*innen, weshalb ich mich an dieser Stelle ganz bewusst für simple Alltagssprache und gegen eine tiefer gehende sprachliche Recherche entscheiden will. Und ich will es absichtlich simpel halten, denn eigentlich ist es das auch: trans* besagt, meinem Verständnis nach, nichts anderes als "vom bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht abweichend", wohingegen cis nichts anderes bedeutet als "dem bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht entsprechend". Es sind also eigentlich einfach nur Ergänzungen zur genaueren Beschreibung des nachfolgend genannten Geschlechts. Wenn ich also sage "Ich bin ein trans*-Mann", dann sage ich "Ich bin entgegen dem mir bei meiner Geburt zugewiesenen Geschlecht ein Mann", und wenn ich sage "Ich bin ein cis-Mann", dann sage ich "Ich bin dem mir bei meiner Geburt zugewiesenen Geschlecht entsprechend ein Mann". Beide dieser Aussagen sind in ihrer Natur also rein deskriptiv (beschreibend) und nicht wertend. Und ich könnte genau so gut einfach sagen: "Ich bin ein Mann.", was in einer idealen Gesellschaft auch keiner zu hinterfragen bräuchte.

So die Theorie. In einer idealen Gesellschaft.

Doch wir leben in keiner solchen idealen Gesellschaft. Wir leben in einer Gesellschaft, die sich in ihrer Entstehungsgeschichte so oft Verletzungen zugefügt hat, dass sie noch längst nicht geheilt ist. Und wir leben in einer Gesellschaft, die diese Verletzungen nicht länger sehen möchte, weil sie sich selbst so krampfhaft als fortschrittlich und zivilisiert begreifen will, dass sie gar nicht in der Lage ist, zuzugeben, dass das System an sehr sehr vielen Stellen noch immer nicht nur fehlerhaft ist, sondern auch alten Schemata folgend immer wieder neue Fehler begeht. Und einer dieser Fehler ist die andauernde Instrumentalisierung marginalisierter Gruppen, also derer, die sich am schlechtesten wehren können. Diejenigen, die zum Schutz ihres Lebens eher schweigen als rebellieren werden. Und das betrifft nicht nur trans*Personen, das betrifft auch nach wie vor Kriegsflüchtlinge, People of Colour und andere Gruppen. Dieses Problem ist systemisch.

Aber Du und ich, wir sind kein System. Wir sind lebende, fühlende und uns mehr oder weniger unser Selbst bewusste Menschen. Wir können Fehler erkennen und benennen. Und wir können Entscheidungen treffen. Vielleicht nicht gesamtgesellschaftlich. Aber für uns selbst. Im Kleinen. Und wir können uns dafür entscheiden, den Mut zu haben, wir selbst zu sein - was auch immer das bedeuten mag - und dazu zu stehen. Also lass uns mutig sein und ich versichere Dir: Du bist nicht allein!

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