Mittwoch, 5. Juni 2019

Black Dog Story

Generalisierte Angststörung
Wenn die Angst übernimmt

Eine generalisierte Angststörung, was soll das denn nun schon wieder sein? Nun, zunächst einmal ist es ein Zustand, unter welchem heutzutage nicht wenige Menschen leiden. Gut 5% der Bevölkerung, so Statistiken, erkranken im Lauf ihres Lebens an einer generalisierten Angststörung, die Betroffenen sind meist Frauen. Es verselbständigt sich hierbei die eigene Angst und verliert sowohl Zweckmäßigkeit als auch Relation. Aus alltäglichen Sorgen, die jeder kennt: Sorge vor Krankheit, Jobverlust, Zurückweisung, Ablehnung, etc pp. werden so wahrhaftige Ängste, die von den unterschiedlichsten Symptomen begleitet werden, wie unter anderem Herzklopfen, Schweißausbrüchen, Magenbeschwerden, Schwindel, Hitze- oder Kältegefühlen, Muskelverspannungen und -schmerzen, Konzentrationsschwierigkeiten, Reizbarkeit und Schlafstörungen, sowie dem für mich wohl schlimmsten Symptom, der Angst verrückt zu werden oder zu sterben - in meinem Fall meist ausgelöst durch oben genanntes Herzklopfen und begleitende Magenbeschwerden und Muskelschmerzen.

Was diesen Zustand der Angst auslöst, kann ich gar nicht so genau beschreiben. Sie ist manchmal plötzlich einfach da. Und das in letzter Zeit immer häufiger. Ohne jede Vorwarnung beginnt mein Herz zu rasen, meine Gedanken werden unklar, ich stehe plötzlich neben mir, schweißnasse Hände, Hitzewallungen gefolgt von dem Gefühl zu erfrieren, dann Schmerzen, alles verkrampft, die Zeit steht still um mich herum und dann kommt die Übelkeit, das Gefühl, sich gleich übergeben zu müssen und manchmal eben auch tatsächlich der Gang zur Toilette, um eben genau dies zu tun, mich übergeben. Und dann? Stille im Kopf. Nein. Gedanken rasen, doch ich kann sie nicht greifen. Es kommt einer sehr sehr unruhigen Stille gleich. Eine Stille, die brüllt. Und durch das Brüllen nur ein Gedanke: "das war's mit mir".

In der letzten Woche folgte eine dieser Panikattacken auf die nächste. Ich war ständig unkontrolliert am Zittern, wollte nicht mehr unter Menschen und wagte ich es doch, bekam ich selbst unter Freunden die nächsten Panikattacken. Selbst auf einer Party von und mit Freunden hätte ich vor lauter Nervosität - bloß weil ein Bekannter sich unterhalten wollte - fast aus dem Küchenfenster gegöbelt. Komplett nüchtern. Nicht einen Tropfen Alkohol im Blut. Ich bin nun nämlich bald schon ein halbes Jahr trocken. Die Panik davor, das irgendwie erklären zu müssen, hat mich das Erbrochene schlucken lassen. Danach entschied ich mich für den restlichen Abend gegen eine weitere Nahrungsaufnahme. Dabei hatte ich zu meiner Beruhigung schon extra meinen besten Freund mitgenommen zu der Party - naja, ursprünglich hatte ich ihn einige Wochen zuvor gebeten, mich zu begleiten, weil ich einfach gerne Zeit mit ihm verbringe und mehr mit ihm unternehmen möchte. Zu dem Zeitpunkt hatte ich meine Ängste auch noch unter Kontrolle bzw meine gewohnten Verdrängungsstrategien haben noch funktioniert. Nun musste ich feststellen, dass es an jenem Abend schon zu einer Panikattacke führte, wenn er sich nur fünf Meter von mir entfernte.

Ihr merkt also eventuell, mein Zustand ist in der letzten Zeit kein besserer geworden. Und ich denke, dort spielen mehrere Faktoren mit hinein. Die erneute, unbegründet gebliebene Zurückweisung durch einen Menschen, den ich lieb gewonnen hatte über die letzten zwei Monate hinweg, Zurückweisung durch meine Familie und insbesondere meinen Sohn, die daraus entstehende Angst, bald vielleicht auch beruflich und im Freundeskreis den Leuten nicht mehr zu genügen und dieses völlig irrationale Gefühl, vermutlich niemals einen echten Partner im Leben zu finden und all diese Liebe in mir drin weiter hoffnungslos in der Welt zu verteilen, so gut ich es eben kann. Von den üblichen Gedanken, rein oberflächlich betrachtet, schon nicht genug zu sein, sondern zu dick, zu verpickelt, zu untersetzt, zu hässlich, zu stillos, zu was-auch-immer, mal ganz zu schweigen.

Gestern kam nun jedenfalls, unabhängig von der Suche nach einem Therapeuten, der Tag, an dem ich mal wieder meinen Hausarzt aufgesucht habe. Ich hatte mich auf der Arbeit krank gemeldet, wohl wissend, dass ich es dort keinen weiteren Tag aushalten würde - offiziell wegen meiner PMS, inoffiziell genau wegen der oben beschriebenen Umstände. Und so führte mich der gestrige Tag von der Anweisung, eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu beschaffen über meinen Hausarzt und ein offenes Gespräch über meinen momentanen Gemütszustand, zu der Verschreibung von Promethazin-Tropfen. Promethazin ist ein Neuroleptikum, welches hauptsächlich wegen seiner beruhigenden und anti-allergenen Wirkung, jedoch nur noch selten als Antipsychotikum eingesetzt wird. Aber wie heißt es so schön, Ausnahmen bestätigen ja bekanntlich die Regel. Bei Angststörungen findet Promethazin nämlich weiterhin Anwendung. Und ich denke, jetzt an Tag 2, ich verstehe auch weshalb. Promethazin sediert. Es sediert mich so effektiv, dass ich meine Symptome zwar weiter wahrnehme, sie mir gerade aber völlig schnuppe sind. Ich bin viel zu sehr damit beschäftigt - ja, womit eigentlich?

Glücklicherweise muss ich nun erst in zwei Wochen wieder arbeiten und am normalen Alltag teilnehmen. Bis dahin hat mein Körper sich hoffentlich an das Promethazin gewöhnt und ich mich ganz allgemein wieder beruhigt und entspannt. Entspannungsmaßnahme Nummer 1 lautet gerade jedenfalls, den Laptop mit auf den Balkon nehmen, Musik hören, diesen Blog schreiben und mir einfach die Sonne auf den Pelz scheinen lassen.

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