Montag, 16. September 2019

Odyssee des Schmerzes

Vier Wochen Schmerz
Und kein Ende in Sicht...

Wie ist das eigentlich, wenn man ständig Schmerzen hat? Und ich rede nicht von einem kleinen Ziepen mal hier oder dort. Ich spreche von richtigen Schmerzen. Solche, die einen überlegen lassen, ob es sich überhaupt lohnt gegenan zu gehen. Solche, bei denen man sich fragt, ob Akzeptanz nicht der einfachere Weg wäre, die aber zu stark sind, als dass man sie einfach als gegeben hinnehmen könnte. Wie ist das?

Es ist ermüdend. Körperlich und seelisch ermüdend. Zumal einem keiner sagen kann ob und wann das Ganze wieder aufhört. Zwar sagen sie, ich hätte gute Chancen. Aber auf was eigentlich? Die Frage lassen sie offen. Allgemein wird von medizinischer Seite her momentan ganz viel lieber offen gelassen. Wahrscheinlich, damit alle Möglichkeiten gegeben bleiben und ich am Ende niemandem vorwerfen kann, man habe mir irgendeine Besserung versprochen.
Schwammige Aussagen gehen Hand in Hand. Der eine rät zur Stärkung der Muskulatur, der andere sagt: "Dafür ist es viel zu früh, die Muskulatur muss erst einmal gelockert werden und entspannen.", der nächste meint, die Entzündung müsse erst einmal abklingen. Doch einig sind sich alle wenigstens in einem Punkt: für eine richtige Reha bin ich noch viel zu "akut". Und ich stelle ganz vorsichtig die Frage: "Reha, das auch noch?", denn ich sehe die Zeit vor meinem geistigen Auge verstreichen und dieses Jahr bald enden.

Am Liebsten sind mir aber ja eh die Leutchen, welche doch ernsthaft meinen, weil ich seit einem Jahr mit Fibromyalgie diagnostiziert bin, wäre ich Schmerzen eh gewohnt und deshalb könne das mit dem Rücken doch jetzt gerade eigentlich gar nicht so schlimm sein. Nein, natürlich nicht. Der eine Schmerz relativiert den anderen. Brichst Du dir die Hand und ich breche dir darauf hin zusätzlich noch ein Bein, dürfte das Bein doch gar nicht mehr so schlimm sein. Du kennst den Schmerz doch schon aus der Hand.
Bitte? Was ist das für eine bescheuerte Logik? Manchmal frage ich mich wirklich, ob die Menschen heutzutage so dumm geboren werden oder ob die Gesellschaft einen irgendwann so dumm macht. Solche Aussagen sollten einem gar nicht erst über die Lippen kommen dürfen bei auch nur andeutungsweise vorhandener Intelligenz und einem wenigstens in groben Zügen gegebenem Moralverständnis.

Ich relativiere eure Päckchen, Probleme und Gebrechen nicht - wagt es also nicht bei meinen!

Doch die schwammigen oder Intelligenz abstinenten Aussagen meiner Mitmenschen sind natürlich nur ein Teil des Problems. Ehrlich gesagt, habe ich auch trotz unbefristeten Arbeitsvertrages nicht das Gefühl, man wird mich in der Firma behalten wollen nach der ganzen Sache. Meine Vorgesetzten klingen, vorsichtig gesagt, skeptisch bei der momentanen Sachlage. Sie sprechen von Wiedereingliederung, wo aus medizinischer Sicht noch nicht einmal von Rehabilitierung gesprochen wird. Am liebsten wäre der Wiedereinstieg zur neuen Schulungsphase - beginnend zum ersten Oktober diesen Jahres. Bei dem Gedanken entfleucht mir höchstens ein leises Lachen. Und es ist zwar bloß ein Gefühl, aber man kennt ja den Arbeitsmarkt. Und ich bekomme den Druck doch zu spüren. Mein Arbeitsplatz mag ja vieles sein. Aber sicher?
Um für den Arbeitsmarkt und Arbeitgeber interessant zu bleiben, trotz meiner nun körperlichen Einschränkung und der ja eh schon lange gegebenen psychischen Einschränkungen, überlege ich nun tatsächlich einen Schwerbehindertenausweis zu beantragen. Da habe ich mich zwar jahrelang gegen gewehrt, doch ich fürchte, so langsam ist der Zeitpunkt gekommen, an dem das durchaus sinnvoll wird. Zumal ein solcher Ausweis es wohl der Firma noch einmal erschweren würde, mich loszuwerden.

Aber die Zeit sitzt mir gefühlt nicht nur in Bezug auf die Arbeit im Nacken. Ich bin Geringverdiener, rutsche bald ins Krankengeld und damit, salopp gesagt, mit Anlauf unter die Armutsgrenze. Dass das nicht gerade Jubel und Begeisterungsstürme bei mir auslöst, brauche ich wohl nicht zu erklären. Es ist ein absolut beschissenes Gefühl, sein eigenes Geld verdienen zu wollen und ja auch Arbeitnehmer zu sein, aber es nicht zu können, weil der Körper meint: "Sorry, aber ich mache hier gerade nicht mehr mit".

An manchen Tagen frage ich mich, ob es leichter wäre, hätte es irgendein auslösendes Momentum für das Ganze gegeben. Einen Sturz, einen Schlag auf den Rücken, irgendwas. Doch dann denke ich mir wieder: "Was hätte es geändert?", und ich fürchte, die Antwort lautet "nichts". Es hätte nichts an der Gesamtsituation geändert. Die Schmerzen blieben gleich, die Ungewissheiten und Sorgen ebenso. Und ob ich dadurch psychisch besser mit allem fertig würde, sei nochmal dahin gestellt. Das kann ich mir jetzt natürlich einreden. Doch es steht auf der Seite eines Buches, welches so nicht geschrieben wird.

Dieses Buch schreibt sich nun einmal genau so, wie es sich für mich zugetragen hat. Keine Auslöser, keine einfachen Erklärungen...

Ich kann nur dankbar sein, für die Stütze und den Halt, welche ich aus meinem Freundeskreis heraus erfahre. Für das Rausholen am Wochenende, die Gespräche bei Tee im Café, die Gesellschaft bei mir daheim, die kleinen Spaziergänge, das viele Zuhören, die Tipps und Ratschläge, sowie die Begleitung zu wichtigen Terminen. Und ich bin da dankbar für. Sehr sogar. Denn ohne wüsste ich nicht, wie ich diese Zeit überstehen sollte. Einer solchen Flut ist ohne genügend Ankerpunkte leider nur sehr schwer Stand zu halten...

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