Donnerstag, 13. Juni 2019

Black Dog Story

Hab immer was Gutes zu erzählen,
wenn Du Lust drauf hast...

Nein, habe ich nicht. Denn deine guten Geschichten sind wie Instagram und Facebook. Sie sind zwar ein Teil von Dir, doch sind sie sorgfältig herausgepickte Momentaufnahmen des Lebens, welches Du gerne führen würdest.
Das ist zunächst natürlich nichts schlimmes. Auch ich erzähle gerne meine guten Geschichten. Belanglosen Leuten. Denn die guten Geschichten sind für Jedermann. Da muss ich nicht selektieren. Niemand verurteilt einen für die guten Geschichten. Im Gegenteil. Sie bringen uns Bewunderung, Anerkennung, vielleicht sogar das eine oder andere Lob. Oberflächlich. Immer in dem Bewusstsein, dass das nicht so ganz wir sind.

Schwierig ist es hingegen, unsere schlechten Geschichten zu erzählen. Die richtig beschissenen. Die, in denen uns weh getan wurde. Die, in denen wir anderen weh getan haben. Die, in denen wir selbst nicht so gut da stehen. Die, für welche wir uns eventuell sogar ein wenig schämen. Die, die nicht in eine gute Weltanschauung passen. Und wir wissen genau, diese Welt, wie wir sie geschaffen haben, ist nicht im Grunde gut, auch wenn wir noch so sehr danach streben, sie und uns in einem rein guten Licht erscheinen zu lassen. Die schlechten Seiten, die beschissenen Geschichten sind ein wichtiger Teil des großen Ganzen und ohne sie wäre keiner von uns komplett.
Ich höre Leuten wirklich immer gern zu. Aber am liebsten, da höre ich die schlechten Geschichten. Denn es sind nicht unsere guten Geschichten, die uns geformt und zu dem gemacht haben, wer wir heute sind. Deine guten Geschichten werden mir niemals die Geschichte erzählen, wie Du zu Dir selbst geworden bist. Sie bilden eine Maske, von welcher Du möchtest, dass ich dieses Gesicht in Dir sehe. Eventuell glaubst Du, Du seist sonst nicht gut genug für mich. Wir alle glauben das doch, habe ich so langsam das Gefühl. Und ja vielleicht sind wir nicht für jedermann gut genug. Aber woher stammt diese irrwitzige Annahme, das sein zu müssen?
Deine Maske blendet. Dich und mich. Doch ich bin im Leben schon genug geblendet worden. Ich habe andere genug geblendet. An weiß gewaschenen Lebensläufen bin ich nicht mehr interessiert. Mich interessieren Menschen, Seelen, das echte Leben. Licht und Schatten.

Sag mir nicht, Du hättest immer etwas Gutes zu erzählen. Erzähl mir lieber davon, wie dir zum ersten Mal das Herz gebrochen und aus der Brust gerissen wurde. Erzähl mir von deiner Einsamkeit, deinen Albträumen, deinen schlimmsten Fehlern, deiner Reue. Erzähl mir von den Makeln und Macken in deiner Familie, den blöden Eigenschaften deiner Freunde, deinen schlimmsten Ticks. Erzähl mir deine düsteren Gedanken. Hast Du schon einmal über Selbstmord nachgedacht? Liebst Du dich selbst? Warum hasst Du dich so sehr? Warum sprechen deine Mum (oder jemand anderes) und Du nicht mehr?
Ich verspreche Dir, wenn ich danach immer noch bereit bin zuzuhören, dann möchte ich auch die guten Geschichten erzählt bekommen. Dann möchte ich dich kennen und lieben lernen. Denn jeder Mensch verdient es, geliebt zu werden, wenn er nur ganz er selbst zu sein wagt.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen